Meister der Improvisation

Das Klappstuhlfest begeisterte mit Musik, Tanz und Performance.

Wuppertal. Am Anfang war der Klappstuhl. Und auch wenn längst stabile Stühle in etablierten Räumen stehen: Der Raum für Improvisationen, für die der zusammenklappbare Stuhl das Symbol abgibt, ist auch beim 9. Klappstuhlfest groß.

Nach dem Auftakt in Peter Kowalds "Ort" trifft am zweiten Abend des Festivals in der Sophienkirche ein ganzes improvisationsbereites Orchester auf eine große Zuhörer-Fan-Gemeinde. Blechbläser und Streicher, Holzbläser und Perkussionisten, Gitarrist und Pianist folgen spontan den Handzeichen-Dirigaten von Gunda Gottschalk und Christoph Irmer. Das funktioniert tatsächlich: Einsätze, Dynamik und relative Klanghöhen gibt das "Dirigat" vor. Tonfolgen, Klänge und Geräusche entwickeln die Musiker aus dem Moment heraus. Dave Tucker hat das beim 5.Klappstuhlfest vorgemacht.

Das Wuppertaler Improvisationsorchester (WIO) ist auf dem besten Weg, sich wie das London Improvisers Orchestra zu etablieren. Daneben zeigen kleinere Ensembles, wie viele Klangfarben ihr Instrument außer den bekannten hat, wie es elektronisch verzerrt klingt, wie man sich im freien Zusammenspiel ergänzt. Das reicht vom Zirpen und Zittern wie von Insekten im Sonnenlicht bis zum Höllen- und Kreischlärm von schleifenden Sirenen, der in den Ohren schmerzt.

Die Grenzen zu anderen künstlerischen Sparten sind fließend: Zu Lichtspielen von Wasiliki Noulesa beweisen der Tänzer Jean Laurent Sasportes und der Posaunist Paul Hubweber, wie sich freie Musik und Tanz gegenseitig befruchten. Im tonlosen Hauchen und Blasen stemmt sich Sasportes wie gegen den Sturm, versucht gar das Fliegen.

Aber erdenschwere Töne sind stärker: Gekrümmt, aufgebäumt, gestreckt oder geduckt verharrt der Körper zu erschlagenden, disharmonischen Klängen. Wieder versucht der Tänzer, mit den Klängen eins zu werden. Sogar mit dem Kopf kriecht er in den Schalltrichter. Und da wird der Posaunist ganz still und lauscht, was der stumme Tänzer ihm wohl sagen will. Es ist eine spannende Performance, die jedoch im tiefliegenden Aktionsraum nicht von allen Plätzen aus gut einsehbar ist.

Mitch Heinrich schließlich liefert mit seiner Stimme mühelos zehn weitere Instrumente zu Kornett, Althorn, Saxophon und Kontrabass. Durchweg verhalten gestalten die Akteure diesen Programmpunkt, so dass Heinrich,von dem man Stimmgewaltigeres gewohnt ist, nicht so recht zum Zuge kommt. Insgesamt aber zeigt der Abend deutlich, dass die freie Improvisationsszene mehr denn je in Wuppertal zu Hause ist.

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