Mathias Richling entlarvt die Scheinheiligen der Politik

Während viele Amtsträger blass bleiben, bekennt der schwäbische Parodist Farbe. Sein neues Programm wurde im Opernhaus gefeiert.

Wuppertal. Farblose Politiker dürfte ein Kabarettist fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Könnte der geneigte Zuhörer meinen — wird aber von Mathias Richling eines Besseren belehrt. Der schwäbische Star-Parodist, der im besten Sinne kein Blatt vor den Mund nimmt, hat auch jene auf dem Zettel, deren Namen nur Schall und Rauch sind. Denn obwohl der Politik die schillernden Persönlichkeiten ausgehen, heißt das im Wuppertaler Opernhaus noch lange nicht, dass selbst ernannte Strippenzieher, die im eigenen Lager am seidenen Faden hängen, keinen Applaus verdient hätten. Man muss ihre Phrasen nur entlarven — dann klappt’s auch mit dem erwünschten Beifall.

Mathias Richling über den Unterschied zwischen dem Schwabenland und dem Bergischen Land — mit Blick auf Stuttgart 21 und die Schwebebahn.

So geht „Der Richling Code“, das aktuelle Programm des quirligen 58-Jährigen, bestens auf: Viel Zwischenapplaus gab es am Sonntagabend für den Mann, der mit blauer Krawatte und schwarzem Jackett Farbe bekennt. Das Problem, dass auf dem politischen Parkett vieles austauschbar geworden ist (der Inhalt genauso wie das Personal), löst er mit den Waffen eines Kabarettisten.

Das Publikum hat sichtlich Spaß: Der Schwabe parodiert Frauen und ohne Eigenschaften, indem er sie als Komiker in Szene setzt. Viele wirken wie eine Karikatur ihrer selbst. In Namen von Ronald Pofalla, dem Theo Lingen der CDU, hält Richling die Hände nach vorne — wie ein Schoßhund, das Männchen macht, als ob er nur darauf warte, von Frauchen Angela anerkennend gekrault zu werden. Tierisch unbeholfen geben sich auch andere. Ob CDU, SPD, FDP ober Linke: Im gut gefüllten Opernhaus bekommen alle ihr Fett weg — und zugleich die Anerkennung, der sie hechelnd nachjagen. Immer ist es eine verblüffend pointierte Mischung aus Dialekt, Mimik und Gestik, mit der Richling in rasanter Geschwindigkeit die Rollen wechselt, wobei er trotzdem genug Zeit findet, jedem Scheinheiligen eine eigene Note zu geben.

Da kann Annette Schavan noch so pikiert in den gut gefüllten Saal schauen: Sie trägt wenig mit Fassung, aber stets die Nase oben. Sprachlich gesehen zählt Volker Kauders Kauderwelsch zu den Höhepunkten eines Programms, das den Niedergang der tiefgründigen Gesprächskultur hemmungslos auf die Spitze treibt. Unter den nuschelnden Nichtssagern ist Günther Oettinger der Größte. Am Ende erklärt er selbst: „Ich habe es nicht verstanden. Was habe ich gesagt?“

Richling bringt es auf den Punkt: hintersinnig, hemmungslos, auf höchstem Niveau. Trotzdem spürt man, dass etwas fehlt: Die großen Zeiten der Charakterköpfe, an denen sich Kabarettisten genussvoll reiben können, sind vorbei. Helmut Schmidt und Gerhard Schröder sind nur noch Randfiguren — bei Richling wirken sie aber nach wie vor erschreckend echt. Doch die politische Welt und ihr Personalkarussell haben sich weitergedreht. Und auch Richling legt ein solches Tempo vor, dass einem beim Zuhören schwindelig werden kann. Guido Westerwelle, Gregor Gysi, Josef Ackermann: Es scheint, als sei das neue Programm all jenen gewidmet, die sich selbst einen Heiligenschein aufsetzen, Gott spielen möchten und auf dem gesellschaftlichen Parkett regelmäßig eine Auferstehung feiern.

Der Schein trügt nicht: „Der Richling Code“ setzt sich aus vielen religiösen Anspielungen zusammen. Dass Angela Merkel („Ich habe die Krise sicher durch das Land geführt“) da nicht fehlen darf, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Schade allerdings, dass Richlings Paraderolle diesmal etwas kurz kommt. Immerhin: Wie der Schwabe die Kanzlerin — mit herunterhängenden Mundwinkeln — zur Mona Lisa erklärt, ist an Spott kaum zu überbieten. Auch Wolfgang Schäuble dürfte sich eigentlich glücklich schätzen, Zentrum des Hohns zu sein — hebt ihn doch genau das von Kollegen ab, die sich wie Löwen fühlen, in der politischen Schlangengrube aber nur Eintagsfliegen sind.

Richling hingegen ist ein Langzeit-Phänomen. Natürlich spekuliert auch er auf Beifall. Wer genau hinschaut, sieht’s: Von den 16 Namensschildern, die er nach und nach umdreht, sind am Ende der regulären Spielzeit zwei noch unberührt. Keine Frage: Richling rechnet mit einer Sitzungsverlängerung — und soll sie haben.

Nach zwei kurzweiligen Stunden gibt es zwei Zugaben, zuletzt ein fiktives Gespräch zwischen dem trinkfreudigen Rainer Brüderle und einem chinesischen Journalisten. Ein Nonsens-Dialog, der mehr aussagt als so mancher reale Politiker.

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