Maßarbeit für das Kinder- und Jugendtheater

Angela Dausend zieht Darstelleran - zum Beispiel als Sumpf-Hexe.

Wuppertal. Bisher arbeitete Angela Dausend fürs Detail: Sollen die Knöpfe blau oder schwarz, klein, mittel oder groß sein? Bei ihrer neuen Aufgabe im Kinder- und Jugendtheater hingegen zählt mehr der Eindruck aus der Ferne. "Die Sumpfhexe hat so ein tolles Kostüm mit Fischen drauf und Fröschen auf der Schulter - aber manches sieht man im Zuschauerraum gar nicht", lautet die neue Erfahrung der Kostümbildnerin.

Erst sieben Wochen vor der Premiere der "Kleinen Hexe" übernahm sie die kurzfristig verwaiste Leitung der Kostümabteilung des Kinder- und Jugendtheaters. "Das macht riesigen Spaß", sagt sie. Zuerst wühlte sich die Mutter zweier Kinder durch das Chaos in der Theaterschneiderei, sichtete Stoffe und Accessoires und nähte schließlich die Kostüme weitgehend aus Vorhandenem.

Bei der nächsten Produktion fällt weniger Arbeit an: "Ben liebt Anna" spielt in der Gegenwart. Hier können die Anziehsachen weitgehend von der Stange gekauft werden.

Begonnen hatte Dausends textile Begeisterung im Barmer Haus der Jugend. Dort absolvierte die Schülerin einen Nähkurs und entschied: "Das liegt mir." Sie machte in Bochum bei der damals großen Firma Steilmann ihre Ausbildung. Ein harter Job. "Von 7 bis 16 Uhr habe ich im Akkord genäht - wir haben mit Stoppuhr einfädeln gelernt." Anschließend wollte sie in Mönchengladbach Bekleidungstechnik studieren. Da sie auf ihren Studienplatz warten musste, ging sie für Steilmann ein Jahr lang nach China. "Das war extrem abenteuerlich, aber wir hatten unglaublich tolle Erlebnisse."

Zwei Neulinge fuhren mitsamt Dolmetscher von Firma zu Firma. Sie kontrollierten per Stichprobe oder tatsächlich jedes einzelne Teil, ob die Ware genau gearbeitet war, und kümmerten sich um den Transport nach Deutschland. Doch es gab auch Höhepunkte wie Silvester im Schnee auf der chinesischen Mauer. In den abgelegenen Industriestädten waren Ausländer damals noch exotisch. "Wir haben Fahrradunfälle produziert, weil alle geguckt haben."

Nach dem Studium arbeitete Dausend bis zur Geburt ihrer Kinder bei der Düsseldorfer Firma comma, verkaufte später bei Strenesse und fand schließlich in der Zeitung die Anzeige der Wuppertaler Firma Sympatex. Schon nach einer Woche war sie unter Vertrag. Sie beriet Kunden, prüfte die Regendichtheit von Nähten, entwarf Muster für jugendliche Anoraks aus dem neuen Material.

Dann jedoch wurde Sympatex nach München verlagert. Die Textilingenieurin musste sich selbstständig zu machen. Zusammen mit drei anderen Frauen mietete sie den "Raum 10" des ehemaligen Postgebäudes an der Friedrich-Engels-Allee mit Blick direkt auf die Wupper. Hier entwirft und organisiert sie nun Schulkleidung oder einen Chemie-Schutzanzug.

Wobei ihre Arbeit nur zum Teil aus dem Design, viel jedoch auch aus der Koordination zwischen Schneidern, Einkäufern und Kunden besteht. Viel Spaß macht ihr auch die Dekoration, etwa von Firmen-Entrees oder Messeständen. "Man kann oft mit einfachen Mitteln und Liebe zum Detail so viel bewirken - da ist es schade, dass Firmen sich oft so eintönig präsentieren", sagt sie. So ist es für die 43-Jährige ein schöner Ausgleich, wenn sie fürs Kinder- und Jugendtheater bunte und überraschende Kostüme schneidern kann.

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