"Mann": Vorhang auf für ein "Meisterwerk des Expressionismus"

Kleines Schauspielhaus: Juan Allende-Blin setzt auf „Mann“. Der Komponist setzt das Maskenspiel von Lothar Schreyer neu in Szene.

Wuppertal. „'Mann’ ist ein Glücksfall." Und das ist erst der Anfang. Wenn Juan Allende-Blin erst einmal ins Schwärmen gerät, findet er noch ganz andere Worte für das Schauspiel, das der 84-Jährige im Auftrag der Wuppertaler Bühnen auf die Bühne bringt. „Es ist ein Meisterwerk des Expressionismus“, betont der chilenische Komponist, der den deutschen Dramatiker Lothar Schreyer (1886-1966) noch persönlich kannte. „Es ist sein gelungenstes Stück. Darin konzentriert Schreyer alles, was er zu sagen hatte.“

Der das sagt, ist selbst alles andere als unkreativ. Juan Allende-Blin, 1928 in Santiago de Chile geboren, stammt aus einer spanisch-französischen Musiker-Familie. „Mein Elternhaus war ein Zentrum für europäische Emigranten — für Künstler, Komponisten, Dirigenten.“ Dreisprachig ist er aufgewachsen, seine Gouvernante war Deutsche. Da wundert es am Ende (doch) nicht, dass der Chilene in Elberfeld Premiere feiert: Im Kleinen Schauspielhaus weckt er „Mann“ zu neuem Leben. Schreyers Bühnendichtung ist ein Werk für zwei große Maskenfiguren, einen Sänger, eine Sängerin und einen Schlagzeuger — also ein exotisches Stück auf dem Wuppertaler Spielplan.

Dass das selten aufgeführte Spektakel überhaupt in Wuppertal zu sehen ist, hat einen malerischen Hintergrund: Die Wuppertaler Bühnen zeigen das anarchische Maskenspiel im Rahmen der aktuellen „Sturm“-Ausstellung im Von der Heydt-Museum.

Muss man die Gemälde-Schau denn erlebt haben, um das Bühnenstück zu verstehen? „Es wäre hilfreich“, sagt Juan Allende-Blin — schließlich ist „Mann“ kein konventioneller Abend.

Ein „Dialog von Gesten“ erwartet das Publikum. „Es geht um die Faszination der Klänge.“ Und damit nicht um eine Handlung in klassischem Sinne. „Klangsprechen“ heißt das Zauberwort: „Mit etwas Fantasie kann man die Entwicklung eines Mannes zum Krieger erkennen — von der Suche nach einer passenden Frau bis zu seinem Tod.“

So geht es um die symbolische Begegnung zwischen Männlichem und Weiblichem, zwischen Mann und Mutter Erde. 1974 hat Juan Allende-Blin „Mann“ erstmals rekonstruiert, 1986 und 2000 folgten weitere Versuche — zuletzt im Namen des Essener Folkwang-Museums. Wer dem Komponisten und Dirigenten heute zuhört, spürt schnell, dass er für das Projekt nach wie vor Feuer und Flamme ist.

Und so schwärmt der 84-Jährige nicht nur vom Maskenspiel, sondern vor allem auch von dem Mann, der dahintersteckte. „Als ich 1951 nach Deutschland kam, war ich ein Exot. Es gab damals ja kaum Ausländer. Viele haben mir die Tür vor der Nase zugeschlagen. Bei Schreyer jedoch wurde ich herzlich empfangen — da fühlte ich mich zu Hause.“ Jahrelang trafen sich die beiden Männer „fast jeden Sonntag“. An diesem Sonntag nun feiert Juan Allende-Blin den verstorbenen Künstlerfreund auf seine Weise: „Mann“ hat morgen um 18 Uhr Premiere an der Kluse. Auch am 22. April, 18 Uhr, und 26. April, 20 Uhr, können sich geneigte Zuhörer auf eine ganz besondere Reise — auf „irgendetwas zwischen Singen und Sprechen“ — einlassen.

Karten gibt es unter Ruf 569 4444.

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