Lucia Lucas ist im ganzen Tal beliebt

Die Amerikanerin ist auf den Bühnen der Welt zuhause. Nicht überall wurde die Sängerin, die früher ein Mann war, so empfangen wie in Wuppertal.

Lucia Lucas ist im ganzen Tal beliebt
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Lucia Lucas vom Wuppertaler Opernensemble ist „Baritonistin“. Es ist ein Wort, das man im Wörterbuch vergeblich sucht. Aber wie soll man sonst eine Sängerin mit Baritonstimme nennen? An Countertenöre, die höher als manche Frau singen können, hat sich das Publikum gewöhnt. Lucas fällt dagegen immer noch auf. Es liegt an der Stimme, die die Amerikanerin auch schon vor ihrer Geschlechtsumwandlung hatte.

Als 2014 aus dem Mann Lucas Harbour eine Frau wurde, war sie noch an der Oper Karlsruhe. Für die heute 36-Jährige war es eine schwierige Zeit. Ihr Stammpublikum reagierte zum Teil ratlos, sogar ablehnend auf den Identitätswechsel. Einen echten Neuanfang konnte die erste Transgender-Sängerin auf deutschen Bühnen erst mit dem Engagement in Wuppertal machen. „Jetzt bin ich frei und ehrlich“, sagt Lucas und ihre Gesichtszüge entspannen sich zu einem Lächeln. Als Mann habe sie immer das Gefühl gehabt, einen Teil ihrer Persönlichkeit verstecken zu müssen. „Es war wie eine Maske.“

Die Wuppertaler Opernfans haben Lucia Lucas mit offenen Armen empfangen, als sie im September ihr Debüt mit „Hoffmanns Erzählungen“ gab. Ihr Bariton verlieh gleich vier Bösewichten Kontur und das Publikum bedankte sich mit stürmischem Applaus. Nicht weniger enthusiastisch waren die Reaktionen bei der Premiere von Prokofjews „Liebe zu den drei Orangen“. Die Sängerin verzichtete hier auf das Männerkostüm und sang den Zauberer Celio im Rock.

Nach der Partie des Komturs in „Don Giovanni“ darf Lucas im neuen Jahr sogar einen richtigen Heldenbariton singen. In der „Rigoletto“-Inszenierung, die im April 2017 Premiere hat, übernimmt sie die Rolle des Grafen von Monterone.

Aktuell ist der Vertrag der Baritonistin auf die Spielzeit 2016/ 17 beschränkt. Doch das sei noch nicht das letzte Wort, betont sie. „Intendant Berthold Schneider hat mir gesagt: Ich möchte gerne etwas mit dir machen in der neuen Spielzeit.“

Gleichzeitig ist Lucia Lucas auf internationalen Bühnen präsent. In Dublin singt sie im kommenden Februar eine Partie in „Madama Butterfly“. Im Mai macht sie in London einen Liederabend, bei dem sie munter zwischen Männer- und Frauenrollen wechselt.

Im Tal ist ihr Gesicht über die Opernszene hinaus bekannt. Anfang Dezember war Lucas zu Gast bei der WDR-Sendung „West Art live“. Auf Einladung ihres Sängerkollegen Kurt Rydl war sie Überraschungsgast bei der ersten „Gay Night“ im Barmer Bahnhof auf.

Inzwischen passiert es ihr häufiger, dass Leute sie auf der Straße grüßen und ansprechen. Und wenn sie nicht gerade zur nächsten Probe hastet, nimmt sie sich auf dem Weg zwischen Wohnung und Opernhaus Zeit für ein Gespräch. Davon weicht sie auch bei weniger angenehmen Begegnungen nicht ab. „Immer wenn man mich mit einem kleinen Fragezeichen ansieht, lächle ich zurück.“.

Sie weiß, dass die zunehmende Aufmerksamkeit nicht nur ihrer Musikalität, sondern auch ihrer Sexualität gilt. „Ich habe so viel mehr Interessen als meine Transidentität“, stellt sie klar. Davon zeugen etwa ihre Liederabende, bei der sie die klassischen Sphären verlässt und mit Begeisterung Jazz und Musical singt.

Als politisch denkender Mensch kommt die Sängerin am Gender-Thema dennoch nicht vorbei. Transsexuelle Menschen sollen ein alltägliches, normales Leben führen - das ist eine Idee, auf die Lucia Lucas im Gespräch mehrfach zurückkommt.

Ein bisschen Normalität hat sich die Sängerin bereits erobert. An der Beziehung zu ihrer Ehefrau hat die Geschlechtsumwandlung nichts geändert. Beide sind jetzt seit 13 Jahren zusammen.

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