Wuppertaler Kultur Kulturpreis für den Schwätzer Brock

Der Künstler und Philosoph Bazon Brock erhält den Von der Heydt-Preis. Der Förderpreis geht an den Jazzpianisten Roman Babik.

Wuppertaler Kultur: Kulturpreis für den Schwätzer Brock
Foto: Federico Gambarini/dpa

Wuppertal. Auf diese Dankesrede kann man sich jetzt schon freuen: Bazon Brock — Performance-Philosoph und Universal-Denker — erhält den Von der Heydt-Preis. Der Förderpreis wird dem Jazzpianisten Roman Babik zuerkannt.

Es ist eine würdige Wahl: Bazon Brock, gerade 80 Jahre alt geworden, gilt international als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Kulturphilosophen. „Als Denker, Künstler, Dramaturg, Kunstvermittler und Kunsttheoretiker hat er Generationen anderer Künstler und Designer, Studenten und Kunstinteressierte inspiriert, bei der Rezeption von Kunst der eigenen Wahrnehmung zu vertrauen. Sein Kunstbegriff kennt weder den Heiligenschein des hehren Werkes noch die Anbetung vermeintlicher Genies“, heißt es in der Begründung des Kuratoriums. Das besteht aus fünf von den Fraktionen entsandten Politikern sowie acht sachkundigen Bürgern.

Er wurde 1936 in Pommern als Jürgen Johannes Hermann Brock geboren und ist in Itzehoe aufgewachsen. Ein Lehrer belegte ihn mit dem griechischen Beinamen „Bazon“ (Schwätzer), was den Schüler nicht etwa genierte, sondern was er gern beibehielt.

Bazon Brock will wissen, wie die Dinge zusammenhängen — und sie hängen alle zusammen, nicht nur so Selbstverständliches wie die Kunst, die Politik und die Gesellschaft, sondern auch die Theologie und die Technik, was ihn schon vor Jahrzehnten zu einem „immerfort währenden geistigen Lustmarsch“ anregte. Brock treibt zugleich die Lust am Argumentieren und Fabulieren. Elegant wickelt er die Zuhörer in eine eloquente Endlosschleife, bis man dem Schwall sprühender Gedanken keinen geistigen Widerstand mehr entgegenzusetzen vermag.

Von 1980 bis 2001 hatte er an der Bergischen Universität die Professur für Ästhetik. Doch für einen wie ihn ist alles Lehre, besser gesagt Action-Teaching in der Tradition des antiken Denkers Sokrates — Philosophie, die jeder hören kann und soll. Er ist ein multimedialer Generalist, der Bücher, Manifeste, Hörspiele und Projekte für Theater, Film und Fernsehen produziert hat.

Heute ist die Irritation des Wirklichkeitsbegriffs große Mode in der Kunst. Brock hat schon vor 50 Jahren damit gespielt. Ein hübsches Beispiel illustriert das: Er hat mal einen Antrag auf Aufnahme in den Frankfurter Zoo gestellt. Der wurde natürlich abgewiesen, worüber er sich laut beschwerte: „Warum wird Bazon Brock, Beweger, nicht in den städtischen Zoo aufgenommen, wie er es angeboten hat: Säugetier, aufrecht, in Freiheit geboren, denkend — sehr selten?“

In den 1960er Jahren war er neben Joseph Beuys, Wolf Vostell und Friedensreich Hundertwasser einer der wichtigsten Vertreter der Fluxus-Bewegung, unter anderem mit Arbeiten für die Wuppertaler Galerie Parnass. Auf der Documenta in Kassel hat er von 1968 bis 1982 Besucherschulen angeboten. Seit 2011 leitet er seine Denkerei in Berlin mit dem „Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand“.

Seine Denk-Impulse leben fort. Viele seiner ehemaligen Schüler sind heute selbst Professoren, Museumsleiter, Ausstellungsmacher oder Künstler und bilden in Kunst und Design eine Kraft, die der Philosoph Peter Sloterdijk unlängst in der FAZ als „Wuppertaler Schule“ bezeichnete.

Bei einem Preisträger mit solch schillernder Persönlichkeit muss man achtgeben, dass man für den Förderpreisträger auch noch Zeilen reserviert. Also: Roman Babik, 1981 in Remscheid geboren, studierte Jazz-Piano an der Folkwang-Hochschule in Essen und gewann dort 2004 den Folkwangpreis — dem mehrere andere Auszeichnungen folgten.

„Roman Babiks Instrumentalspiel ist ein Gegenpol zur gängigen Klavierästethik“, erklärt das Kuratorium. In seinen Konzerten erlebe man „einen Improvisator, der mit Esprit, fulminanter Technik und planerischer Intelligenz bis an die Grenze des Machbaren geht - wuchtig, dynamisch nach oben wachsend und mit stetem rhythmischen Druck“.

Mit diesen Qualitäten arbeitet er in unterschiedlichen Stilen: Seine „Urban Wedding Band“ paart folkloristische Balkantradition mit aktuellem Jazz; mit dem Loungejazz des „Club Des Belugas“ bereist er ganz Europa, und im „Ort Workshop Ensemble“ gewinnt er der freien Improvisation neue Seiten ab. Seit drei Jahren unterrichtet Roman Babik Arrangement an der Musikhochschule.

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