Interview: „Dieses Buch muss unter die Menschen“

Michael Zeller, selbst preisgekrönter Autor, hat Gerhard Nebels Kriegstagebücher entdeckt. Den Wuppertaler Dokumenten will er nun zu neuer Aufmerksamkeit verhelfen.

Wuppertal. Herr Zeller, Sie bringen die Kriegstagebücher von Gerhard Nebel heraus. Wie haben Sie die Tagebücher entdeckt?

Michael Zeller: Es war der schiere Zufall, der mich zu dem Kriegstagebuch hingeführt hat. Bei Freunden habe ich in ihren Regalen herumgestöbert und stieß dabei auf ein armseliges Buch, vollkommen vergilbt und brüchig. "Marées-Verlag Wuppertal" stand da unten drauf und die Jahreszahl 1947. Beides hat mich neugieriger gemacht als der Autorenname Nebel. Der sagte mir damals so gut wie nichts.

Zeller: Beim Lesen sind mir die Augen übergegangen. Was für eine Sprache! So lebendig und unverbraucht wie das Beste von heute - nach 60 Jahren! Ich las und las und kam nicht mehr los davon. Die beiden restlichen Bände musste ich mir dann im Magazin der Stadtbibliothek besorgen. Denn das dreibändige Werk ist weg vom Markt. Aus der Welt gefallen, seit fast zwei Generationen. Niemand mehr konnte es lesen.

Zeller: Es war mein heftiger Wunsch: Dieses verschwundene großartige Werk muss wieder ans Tageslicht kommen, es muss unter die Menschen. Gerade auch unter die Bürger Wuppertals. Denn hier war es erschienen, direkt nach dem Krieg. Und hier, in Wuppertal, hat Nebel zehn Jahre lang gelebt und geschrieben, zwischen 1946 und 1955. Es waren schriftstellerisch seine ergiebigsten Jahre. Und jetzt ist es wieder da, sein Tagebuch aus dem Krieg, gekürzt auf reichlich 300 Seiten - von ursprünglich 1300. Ich freue mich persönlich riesig darüber. Fast wie über ein eigenes Buch. Oder mehr? Endlich können gerade junge Wuppertaler Leser diesen großen Unbekannten aus ihrer Stadt kennenlernen. Mein ausführliches Nachwort will ihnen dabei behilflich sein.

Zeller: Nebel bekam 1950 den ersten Wuppertaler Kulturpreis, ich den bis dato letzten. Und ich lebe jetzt annähernd so lange wie Nebel seinerzeit in Wuppertal.

Zeller: Ja, ich führe selbst Tagebuch. Seit mehr als 30 Jahren, jeden Tag. Die Ringbücher wachsen jetzt auf die zwei Meter zu. Ich lese sehr gern darin, abends, beim Wein.

Zeller: Im kommenden Herbst erscheint von mir wieder ein eigenes Buch: eine lange Erzählung.

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