Geisterbraut spukt in der Stadthalle

Der Chor der Konzertgesellschaft und die Wuppertaler Sinfoniker ließen die Ballade von Antonin Dvorák im Großen Saal erklingen.

Geisterbraut spukt in der Stadthalle
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Am Totensonntag gedenkt bekanntlich die evangelische Kirche ihren Verstorbenen. Er ist besonders geschützt. Etwa sind nicht alle gängigen Veranstaltungen wie Events in Gaststätten erlaubt. Kirchenkreise werben sogar dafür, aus diesem Anlass etwa mit Weihnachtsdekorationen erst danach anzufangen. Im Großen Saal der Stadthalle hatte man es an diesem stillen Gedenktag musikalisch mit einem Untoten zu tun. Er spukt mit einem jungen Mädchen durch die Gegend. „Die Geisterbraut“ heißt die Grusel-Kantate aus der Feder von Antonín Dvorák, die sich das Sinfonieorchester Wuppertal und der Chor der Konzertgesellschaft für das erste städtische Chorkonzert der Saison ausgesucht hatten.

Diese opernhafte Chorballade ist nahezu in Vergessenheit geraten, steht kaum auf Konzertprogrammen. Diese schöne romantisch bis spätromantische Musik kam aber in England zur Zeit der Uraufführung in Birmingham 1885 richtig gut an. Schauergeschichten waren damals in. Horror-Fans gibt es zwar auch heute, gehören aber nicht dem Mainstream an. Vielleicht fand sich deswegen oder anlässlich des andächtigen letzten Sonntags im Kirchenjahr nur ein überschaubares Publikum im weiten Rund ein. Die Neugierigen aber, die sich den gespenstigen nächtlichen Ritt bis hin zum Friedhof nicht entgehen lassen wollten, konnten getrost ihre Ohren aufsperren.

Unter der präzisen und umsichtigen Leitung von Wolf-ram-Maria Märtig spielten die städtischen Sinfoniker nämlich sehr gepflegt auf. Durch alle 18 Nummern hindurch wurden sie ihrer großen Verantwortung als Träger des musikalischen Geschehens voll gerecht. In leisen wie in lauten Passagen kamen sehr nuancierte Klangbilder von der Bühne. So konnte das musikalische Gefühlsdurcheinander aus Sehnsucht, Furcht, Hoffnung, Zuversicht und am Ende Erleichterung leicht nachvollzogen werden.

Der Chor der Konzertgesellschaft (Einstudierung: Georg Leisse) mit seiner erzählenden Funktion war hoch motiviert bei der Sache. Zwar war nicht alles lupenrein hinsichtlich Intonation und bei energiegeladenen Passagen. Doch gelang es den Choristen mit ihren emotionsgeladenen Gesängen, die unheimliche Atmosphäre klar zum Ausdruck zu bringen.

Ihm stand mit der gleichen Aufgabe Bassbariton Wieland Satter zur Seite. Er überzeugte mit einer sehr beweglichen Stimme, die sich aber nicht immer gegenüber dem Orchester durchsetzen konnte.

Gemeinsam schilderten beide, Chor und Solist, anschaulich die stürmische und hitzige Hatz im Dunkel, durch modrige Sümpfe, über kahle Felsen, vorbei an düster glimmenden Irrlichtern und drohend heulende Hunde.

Julia Borchert als jungfräuliche trauernde Braut mit ihren irrationalen Wahnvorstellungen überzeugte mit einem ausgewogenen Sopran. Ihre beiden Arien „Weh mir, ach weh!“ und „Heilige Jungfrau, höre mich“ gestaltete sie außerordentlich ergreifend.

Auch Michael Zabanoff, der die Rolle des Bräutigams als Zombie übernahm, präsentierte sich als ein ausgezeichneter Konzertsänger. Sein Tenor zeichnete das verführerisch-dämonische Wesen plausibel nach.

Nach etwa 80 Minuten, als die um ihren verstorbenen Verlobten trauernde junge Frau bei den ersten Sonnenstrahlen ihren Trugschluss erkannt hatte, war der Spuk zu Ende. Das Publikum zeigte sich von der Geisterstunde fasziniert und bedankte sich bei allen daran beteiligten Interpreten mit lang anhaltendem Beifall.

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