Ein Chor und der Live-Effekt: Märchenhafter Musical-Einsatz

Leiter Jens Bingert macht den Kinderchor der Wuppertaler Bühnen fit für Auftritte.

Herr Bingert, seitdem Sie als Chordirektor an den Wuppertaler Bühnen den Ton angeben, hat sich Einiges getan. Nicht allein der Opern- und der Extrachor haben sich weiterentwickelt, vor allem auch der Kinderchor feiert Erfolge. Nach „Emil und die Detektive“ wurde nun „Aglaia“ im Kronleuchter-Foyer des Opernhauses bejubelt. Was macht das Kindermusical aus Ihrer Sicht zu einem ganz besonderen Projekt?

Jens Bingert: Das Besondere diesmal ist, dass wir das Stück ohne Regisseur erarbeitet haben. Die Kinder hatten somit viel Freiheit, sich Gedanken über ihre Rolle zu machen. Zusammen mit unserer Dramaturgin Ulrike Olbrich haben wir das Stück gemeinsam entwickelt. Dadurch erfahren die Kinder, welche Arbeit ein Regisseur eigentlich macht und wie kompliziert es sein kann, sich zu entscheiden, wie und wo man geht oder steht. Es ist toll zu sehen, wie viel Kreativität in ihnen steckt.

Die bisherigen Vorstellungen waren jeweils ausverkauft. Auch „Emil und die Detektive“, die Vorgänger-Produktion, war im wahrsten Sinne ein Verkaufsschlager. Wodurch erklären Sie sich den Erfolg?

Bingert: Es gibt immer sehr viele Angehörige, die ihre Kinder auf der Bühne erleben möchten und so auch die Möglichkeit haben, live zu sehen, was der Chor im Laufe einer gewissen Zeit erarbeitet hat. Oft kommen sogar Schulklassen. Und wenn es sich dann auch noch herumspricht, dass es Spaß macht, den Kindern zuzusehen, sind alle Karten schnell weg.

Haben Sie Nachwuchsprobleme wie andere (Erwachsenen-)Chöre?

Bingert: Im Moment ist die Nachfrage wieder angestiegen. Auch Jungs kommen erfreulicherweise wieder vermehrt.

Wie jung sind Ihre Sänger? Und welchen musikalischen Hintergrund haben sie?

Bingert: Die Jüngste ist acht, die Älteste 17 — eine wirkliche Herausforderung. Daher habe ich die Probenarbeit auch aufgeteilt — in einen Kinder- und einen Jugendchor. Die Vorstellungen im großen Haus singen aber alle mit. Die meisten Kinder spielen auch ein Instrument, viele können schon Noten lesen. Es gibt aber auch Kinder, die bisher gar nichts mit Musik zu tun hatten und für die sich eine neue Welt öffnet.

Es heißt oft, die Jugend von heute habe kein Interesse mehr an (klassischer) Musik, geschweige denn an der Oper. Können Sie diesen Eindruck bestätigen — oder hegen Sie die Hoffnung, dass es städtische Bühnen und Kinderchöre auch in hundert Jahren noch gibt und sie bis dahin nicht von Computern, Internet und Smartphones verdrängt wurden?

Bingert: Die Hoffnung, dass es Chöre und die Oper noch lange gibt, hege ich natürlich. Ich sehe aber auch, dass viel Energie und Motivation nötig sind, um die Kinder heranzuführen und dann dabei zu behalten. Kulturgenuss ist in immer weniger Familien selbstverständlich. Ich war mit meinen Großeltern und der Schule regelmäßig in Theater und Oper. Heute ist ein Bühnenbesuch für viele die Ausnahme. Auch der Kulturgenuss kann erlernt werden, und vielleicht können da Computer und Smartphones sogar helfen?

Welche weiteren Pläne haben Sie für den Kinderchor?

Bingert: Wir singen bei „Evita“ mit. Außerdem gestalten wir wieder unser fast schon traditionelles Weihnachtskonzert im Kronleuchter-Foyer. Ich möchte in diesem Jahr auch in sozialen Einrichtungen Weihnachtslieder singen gehen. Was wir dann im neuen Jahr machen, steht noch nicht ganz fest — vielleicht wieder ein kleines Stück.

Wer jetzt Lust bekommen hat, selbst mitzumachen, kann sich bei Ihnen melden?

Bingert: Aber natürlich. Interessierte Eltern können per Mail unter [email protected] gerne Kontakt mit mir aufnehmen.

Waren Sie selbst als Kind in einem Chor aktiv — oder wie wuchs die Liebe zur Musik?

Bingert: Ich komme aus einem sehr musikalischen Elternhaus und habe neben meinem Instrumentalunterricht immer in Chören gesungen, auch noch im Studium. Mir fehlt es sogar manchmal, wieder in der Gruppe mitzumachen und gemeinsam ein Werk zum Klingen zu bringen, anstatt davor zu stehen.

Wenn Sie nicht gerade an den Wuppertaler Bühnen im Einsatz sind — welche Art von Musik hören Sie dann? Oder schätzen Sie privat einfach nur die „Ruhe“ vor dem nächsten „Sturm“?

Bingert: Ich genieße es, ab und an in ein Konzert oder in die Oper zu gehen und dort den Moment des Live-Musizierens zu erleben. Musik von CD finde ich mehr und mehr langweilig. Ich weiß dann ja immer schon, wie es sich anhört. Ansonsten genieße ich es, im Garten zu sein und den Erfolg einer Arbeit auch sehen und anfassen zu können.

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