Deutsches Musical für Carmen: Schmidtke feiert Weltpremiere

Das neueste Werk des Jazz-Experten ist bis August in Bad Hersfeld zu sehen.

Herr Schmidtke, morgen erlebt Ihr "Carmen"-Musical seine Uraufführung bei den renommierten Festspielen in Bad Hersfeld. Sind Sie aufgeregt?

Wolfgang Schmidtke: Einerseits ja, sogar sehr aufgeregt. Wenn man 25 Stücke für ein Ensemble geschrieben hat, das mit vielen der besten Musicaldarsteller des deutschsprachigen Raums besetzt ist, dann lässt das den Adrenalinpegel ganz schön hochgehen. Andererseits ist ja die Arbeit des Komponisten ein paar Wochen vor der Premiere abgeschlossen, auch bei einer Uraufführung. Man ist vor Ort und macht immer wieder Änderungen, aber dann wird das Stück eben doch in die Hände der Herren Regisseur und Dirigent übergeben.

Schmidtke: Den einzigen missionarischen Eifer, den ich in der Kunst habe, ist, aufzuzeigen, dass Schubladen-Denken den Horizont furchtbar arm und klein macht. Die Fenster aufstoßen und schauen, was rechts und links in der Welt passiert, ist doch tausendmal spannender, als ewig im immer gleichen Saft irgendeiner panreligiösen Szene zu schmoren. Deshalb gab es ja in Wuppertal sechs Mal das Musikfest "Die 3. Art" - da haben wir im Programm konsequent darauf geachtet, dass Starrköpfigkeit auf der Bühne streng verboten ist.

Schmidtke: Das Genre ist megaweit in der möglichen Ausgestaltung. Ich glaube, mittlerweile zweifelt niemand mehr daran, dass die "West Side Story" eines der besten Werke des 20.Jahrhunderts war - egal, ob das Ding jetzt Oper oder Musical heißt. Ästhetisch kommen Judith Kuckart - sie hat das Buch und die Songtexte geschrieben - und ich mehr vom Sprechtheater und da kann man zwei Dinge beobachten: Alle beäugen neidisch bis fassungslos den Erfolg der Musicalhäuser, aber wenn es an den eigenen Spielplan geht, traut sich keiner, selbst ein Stück zu produzieren - notfalls macht man zum 180.Mal die "Dreigroschenoper".

Schmidtke: Ich meine, dass unbedingt mehr neue Stücke entstehen müssen, deren erklärtes Ziel von Anfang an die gute Unterhaltung ist. Was die Parallelität von Jazz und Musical betrifft, schätze ich, dass 70 Prozent des Repertoires - Stücke wie "Stella by starlight", "Night and day", selbst John Coltranes erfolgreichste Platte "My favorite things" - Musicalnummern sind.

Schmidtke: Eine Figur fremden ethnischen Ursprungs bricht in eine feste soziale Ordnung und verursacht auf einer erotischen Ebene höchste Unordnung. Das ist der "Carmen-Sprengstoff".

Schmidtke: Unser Stück findet nicht in einer historischen Traumwelt oder in Disneyland statt, sondern in den frühen Jahren der Bonner Republik. Was in der romantischen Oper die Zigeuner waren, sind bei uns die "displaced persons", Menschen, die durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs aus dem Osten Europas, hauptsächlich der alten Sowjetunion, in den Westen kamen.

Schmidtke: Dass da, wo Carmen drauf steht, auch Carmen drin sein muss, ist klar. Also finden die drei melodischen Ikonen von Bizets Oper (die Habanera, die Seguidilla und das Torero-Lied) auch Eingang in unser Musical. Der weitaus größte Teil des melodischen Materials und hundert Prozent der Verarbeitung sind aber neu. Das geht vom sehr handfesten, spießbürgerlichem Trink- und Schunkellied bis zu voll orchestriertem Bigband-Jazz.

Schmidtke: Holk Freytag und ich arbeiten seit der Wuppertaler Produktion "Buddy Boldes Blues" kontinuierlich zusammen. Neben der Arbeit, auf und vor der Bühne, sind wir sehr eng miteinander befreundet.

Schmidtke: Ich bin Steinbock und spreche nicht über ungelegte Eier.

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