Der Künstler darf als erster Platz nehmen

Hans-Jürgen Hiby erschuf die Mahagoniskulptur „Prägestock“ für das Gymnasium.

Wuppertal. Die leichtere Aufgabe mal zuerst: "Ich denke, also bin ich." Der Grundsatz des Philosophen René Descartes ziert den schweren Mahagonistamm, den der Bildhauer Hans-Jürgen Hiby in zwei Hälften gespalten und hernach künstlerisch bearbeitet hat. Nach eineinhalb Jahren geistiger und körperlicher Anstrengung ist es nun soweit: Um auf dem Schulhof des Gymnasiums Sedanstraße Denken und Sein im Kraftakt zur Synthese zu zwingen, ist ein bulliger Kran erforderlich.

Mit Augenmaß und im Schneckentempo wird die erste Hälfte des Klotzes auf einem 80 Zentimeter tiefen Fundament in Position gebracht.

Wolfgang Vogelsang, 2. Vorsitzender der Fördervereins "Unsere Alte Penne", schaut fiebernd zu, wie sein ehemaliger Lehrerkollege Hiby den 1500 Kilo schweren Block mit Wasserwaage und Keilen ausrichtet, und blickt dann kritisch hinüber zu einem zweiten Kunstwerk, das bereits auf dem Schulhof steht. Das stamme aus den 70er Jahren und sei allseits ungeliebt. "Flaschenständer" würden die Schüler das durchlöcherte, kantige Stahlelement nennen.

Mit Hibys Holzskulptur "Prägestock" gewinnt der Schulhof dagegen ein organisches, warmes Element und obendrein eines, das gegenüber dem faden Baukastensystem des "Flaschenständers" von Denk- und Planungsarbeit nur so strotzt. Viele Sponsoren hat der Förderverein an einen Tisch bringen müssen, um die Holzskulptur in Auftrag geben zu können.

Die Wahl des Künstlers lag nahe, Hiby konnte ja "ruhig mal was für seine Ex-Penne tun". Das tat er mit diesem drei Meter hohen "Prägestock", dessen Außenseite gänzlich von einem stilisierten Bücherregal umzogen ist. An der Innenseite der einen Stammhälfte findet sich die Negativform eines Menschen, dem im Schulbetrieb das Wissen und damit der Grundstock fürs Leben "eingeprägt" wird.

Die Positivform, der schon "geprägte" Mensch, ziert die zweite Stammhälfte mit der lateinischen, demnach "schwereren" Variante der Descartes-Regel: "Cogito ergo sum." Nur folgerichtig, wenn beim Aufrichten dieses zweiten Klotzes noch mehr Maßarbeit gefragt ist, denn die beiden Hälften besitzen scharnierartige Elemente, die passgenau ineinander greifen müssen.

An alles ist gedacht, sogar an Bodenlöcher für Eisenstangen, die per Verschraubung den letzten Halt geben. Zum Abschluss wird der Viertelkreis einer Baumscheibe als Sitzfläche zwischen die aufklaffenden Stammhälften gesetzt. Hiby darf nach schwerer Arbeit als Erster Platz nehmen und das I-Tüpfelchen seiner Arbeit genießen: Die Scheiben des Schulgebäudes reflektieren helles Sonnenlicht auf die Skulptur, die eigentlich unter einer schattigen Baumkrone steht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort