Interview Christoph Maria Herbst: „Unbändiger Wunsch“, in Wuppertal zu spielen

Wuppertal. „Meine Herzenslinie zu Wuppertal ist nie abgerissen“, sagt Christoph Maria Herbst — „hier steht meine Wiege, hier leben Menschen, die ich immer noch treffe“. Hier hat der Schauspieler auch seine Banklehre als Jahrgangsbester im IHK-Bezirk abgeschlossen und im privaten Theater in Cronenberg erstmals Bühnenluft geatmet.

Christoph Maria Herbst übernimmt die Hauptrolle, als Don Quijote in dem klassichen Theaterstück der Wuppertaler Bühnen.

Christoph Maria Herbst übernimmt die Hauptrolle, als Don Quijote in dem klassichen Theaterstück der Wuppertaler Bühnen.

Foto: Oliver Berg

Berühmt wurde er allerdings woanders — durch die Sat.1-Comedyreihe „Ladykracher“, die Titelrolle in der ProSieben-Comedyserie „Stromberg“ sowie als Sprecher zahlreicher Hörbücher wie „Er ist wieder da“. Mit seiner Frau Gisi lebt er in Köln. Ab Mai 2017 spielt der 50-Jährige den Don Quijote in einer spartenübergreifenden Inszenierung der Wuppertaler Bühnen.

Herr Herbst, Regisseur Robert Sturm sagt, er habe sie überredet, den Don Quijote zu spielen. Womit?

Christoph Maria Herbst: Das ist Quatsch. Wie soll er mich überreden? Mit viel Geld? Nein. Wuppertal hat kein Geld und Robert Sturm auch nicht. Er hätte mir in den Hintern kriechen können — aber der ist schon voll. Er hat vielmehr eine Saat gelegt, dass ich als alter Wuppertaler mit alten Bekannten und neu kennenzulernenden Kollegen mal wieder in Wuppertal spielen kann. Das ist seit Jahren mein unbändiger Wunsch. Außerdem hatte ich viel von dem Erfolg des Vorgänger-Stücks „Romeo und Julia“ im Herbst 2015 gehört und gelesen.

Wollten Sie auch das Stück unbedingt spielen?

Herbst: Es hätte auch etwas anderes sein können. Ich wollte aber auf jeden Fall hier spielen, habe dafür sogar Theaterangebote aus Berlin und Hamburg abgesagt. Da ich aus der freien Theaterszene in Wuppertal komme, schließt sich so ein kleiner Kreis. Oh, das klingt jetzt so, als wollte ich danach sterben. Aber mein Vermächtnis soll die Rolle dann doch noch nicht sein.

Haben Sie sich mit „Don Quijote“ schon beschäftigt?

Herbst: Noch gar nicht. Das ist ein 2017er-Projekt. Dafür fokussiere ich mich ab den Proben im März auf das Projekt und mache nichts anderes mehr.

Wie erarbeiten Sie sich Figuren generell?

Herbst: Lesen, lesen, lesen. Ich nehme immer sehr ernst, was Autoren geschrieben haben, weil die sich ja Jahre mit dem Sujet beschäftigt haben, aus dem sie das Drehbuch machen. Ich lese dann zunehmend zwischen den Zeilen — um dem, was sich da finde, zur Transparenz zu verhelfen und es dem rein Papiernen zu entreißen.

Ist das bei jedem Buch gleich?

Herbst: Das wird bei Don Quijote besonders spannend werden. Denn es ist wie die Bibel eines der meistverkauften Bücher — und zugleich eines der meist ungelesenen. Das hat ja jeder zuhause oder zumindest schon mal davon gehört. Im Sprachgebrauch hat sich ja der Kampf gegen die Windmühlen auch durchgesetzt.

Entwerfen Sie eine Figur selbst oder lassen Sie sich vom Regisseur reinreden?

Herbst: Wenn ich lese, visualisiere ich sehr stark - ohne dass ich bewusstseinserweiternde Drogen genommen hätte. Beim Lesen werden bestimmte Regionen regelrecht angeregt: in meinem Kopf, aber auch in meinem Herzen und meinem Bauch.

Aber alles im Sitzen?

Herbst: Ja, ich tigere da nicht herum und mache irgendwelche Posen vorm Spiegel. Es ist tatsächlich erst einmal ein sehr intellektueller Vorgang. Mit einer Vision der Figur komme ich zu den ersten Proben, lasse mich aber von dem befruchten, was die Regie und die Kollegen mitbringen. Und dann stellt man wieder einmal aufs Schönste fest: Man ist keine Insel, sondern man macht gemeinsam etwas.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie an die Inszenierung heran?

Herbst: Das wird kein Christoph Maria Herbst-Abend, zu dem sich auch ein paar andere einfinden, sondern ein Ensemble-Abend und ein Zusammenspiel aus vielen Kunstformen — also auch Musik und Bewegung. Ich halte das einen sehr spannenden und unerhörten Vorgang, den man wahrlich nicht oft findet. Das wird ein Wuppertaler Theaterabend, wie es den leider seit längerem in in der Stadt nicht mehr gibt.

Wie sind Ihre Erinnerungen ans Wuppertaler Theater?

Herbst: Als in den 80er Jahren am Wupperufer neben das wunderbare Schauspielhaus ein riesiger Kinobau gepflanzt wurde, haben wir damals schon Wetten abgeschlossen: Wer von den beiden wird das überleben? Und es ist der Zynismus der Zeit, dass wir hier stehen und darüber reden, dass heute das eigentliche Sprechtheater von Wuppertal das Cinemaxx ist. Weil das Sprechtheater kaputtgespart und abgewickelt wird — so sieht es jedenfalls von außen aus. Ich bin hier allerdings auch zu einer anderen Zeit ins Theater gegangen, das war noch die Ära Holk Freytag. Von daher ist meine Fallhöhe natürlich ungeheuer.

Don Quijote, dieser Ritter von der traurigen Gestalt, erinnert mich auch ein wenig an Bernd Stromberg — beispielsweise was den Unterschied zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung angeht.

Herbst: Stimmt, das nehme ich gerne auf. Aber ich muss natürlich damit leben, dass Menschen, die auf mich gucken, immer gerne an Stromberg denken. Denn ich habe mit dieser Figur anscheinend bei vielen eine Leerstelle ausgefüllt, die nur darauf gewartet hat, ausgefüllt zu werden. Ich kenne viele Menschen, die Stromberg nicht geguckt haben, weil es zu nah an ihrem Alltag war — deshalb hatten wir auch mehr Fans als Zuschauer. Meine Eigenwahrnehmung ist eine andere, da ist Stromberg nur eine Figur unter hunderten. Aber dem Don Quijote werde ich mich auf jeden Fall mit anderen Mitteln zuwenden als dem Bernd Stromberg.

Nervt es, wenn diese Stromberg-Figur immer an Ihnen dranhängt?

Herbst: Überhaupt nicht — Serie ist sicher Fluch und Segen, aber Segen überwiegt, wenn auch nur mit einer zarten absoluten Mehrheit. Stromberg ist etwas, wozu ich nicht nur stehe, sondern dem ich auch viel zu verdanken habe. Er hat mir viel mehr Türen aufgemacht, als er verschlossen hat.

Sie reisen gern und weit. Diesen Winter auch?

Herbst: Ja. In Asien haben wir fast alles abgegrast. Jetzt steht Lateinamerika auf unserer Tanzkarte. Wo genau, weiß ich noch nicht. Aber ich weiß, dass ich meine Batterien laden werde, um für den harten Wuppertaler Winter gewappnet zu sein.

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