Kolumne Armin T. Wegner: Schriftsteller und Menschenrechtler

Zum heutigen Geburtstag des großen Wuppertalers schreibt Professor Dr. Johannes Köbberling.

Kolumne: Armin T. Wegner: Schriftsteller und Menschenrechtler
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Im Zentrum von Elberfeld befindet sich der Armin T. Wegner Platz. Fragt man Passanten nach dem Namensgeber, erntet man in aller Regel ein Nichtwissen ausdrückendes, erstauntes Schweigen. Die Erinnerung an diesen bedeutenden Sohn der Stadt ist in Wuppertal bemerkenswert blass. Ganz im Gegensatz etwa zu der zeitgleich hier aufgewachsenen Else Lasker-Schüler. Das ist schwer verständlich, denn Wegner ist Träger des Eduard von der Heydt-Preises, und in der Wuppertaler Stadtbücherei befindet sich ein Armin T. Wegner-Zimmer, das dauerhaft seine persönliche Bibliothek und verschiedene Erinnerungsstücke beherbergt. Die deutsche Armin T. Wegner-Gesellschaft hat ihren Sitz in Wuppertal.

Armin T. Wegner wurde 1886 im Briller Villenviertel geboren, sehr nahe dem Elternhaus von Else Lasker-Schüler, mit der er später gut befreundet war. Wegners Mutter, eine bedeutende Vertreterin der frühen Frauen- und Friedensbewegung, hatte ihn schon von Kindesbeinen an mit dem Gedankengut des Pazifismus vertraut gemacht. Schon seine Abiturrede im Jahr 1908 beschloss Wegner mit dem Zitat „Widersetzt Euch viel und gehorcht wenig“.

Im Weltkrieg kam Wegner mit einer deutschen Sanitätsexpedition in das osmanische Reich, wo er als Sanitätsoffizier in Ostanatolien tätig war. In dieser Zeit konnte er mit eigenen Augen die Vertreibung und Ermordung von Armeniern durch die Türken sehen, Erlebnisse die er fotografisch und auch literarisch festgehalten hat. Er schrieb damals an die Deutsche Reichsregierung in der Hoffnung, dass die kaiserliche Diplomatie mäßigenden Einfluss auf die Verbündeten am Bosporus nehmen würde, wurde aber sehr enttäuscht.

Mit einem offenen Brief an Woodrow Wilson, den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, ist Wegner international bekannt geworden.

Erneut war Wegner enttäuscht, dass die Siegermächte sich nicht hinreichend für das armenische Volk einsetzten. Noch im Angesicht der armenischen Deportationen hat Wegner dies in einem ergreifenden Gedicht unter dem Titel „Die Austreibung der Menschheit“ festgehalten, in dem es u.a. heißt: Auf einem Totenhügel saß ich da, Am Rand der Wüste, wo der Fluss sich träumte Durch greise Ebenen. Und es geschah, Dass vom Gebirg ein Strom von Menschen schäumte. Ein wilder Wurm, der in die Steppe kroch, Von Männern, Weibern, die in Fesseln gingen, Wo sich der Wüste bodenloses Loch Mit Schrecken auftat: Tier und Mensch zu schlingen. Da hob Entsetzen meine Augen auf, Weil immer noch der Blick kein Ende spürte Von Todeskampf und letztem Atemlauf Und trocknem Schrei, der mir die Brust umschnürte.

Nach dem Ersten Weltkrieg nahm Wegner seine frühere Tätigkeit als Reiseschriftsteller wieder auf. Sein Reisebuch „Am Kreuzweg der Welten“ mit Reportagen aus Bagdad, Nadschaf, Basra, Jerusalem und Kairo war in seiner Zeit ein Bestseller. Wegner unternahm ausgedehnte Motorradreisen durch verschiedene Länder, aus denen er berichtete. Nach einer Reise in die Sowjetunion 1927/1928 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „Fünf Finger über Dir“, in dem er sich mit der Frage einer angemessenen Haltung gegenüber Kommunismus und politischer Gewalt auseinandersetzte.

Im November 1920 heiratete Wegner die jüdische Schriftstellerin Lola Landau, die sich später für den Zionismus entschieden hat. Ihre Lebenseinstellung passte nicht zu Wegners eigenen Grundsätzen, und so wurde die Ehe 1939 geschieden, nach-dem Lola Landau bereits 1936 nach Palästina übergesiedelt war.

Von zeithistorischer Bedeutung ist Wegners Brief 1933 an Hitler. Aus heutiger Sicht und in Kenntnis dessen, was damals geschah und vor allem, was bald danach geschehen sollte, müssen wir den Brief als naiv empfinden, aber er passt andererseits auch genau zu den Werten, die Wegner verkörperte, die eben auch Zivilcourage ohne Rücksicht auf Gefahr für das eigene Leben einschlossen. „Wenn alle in diesen Tagen stumm bleiben, will doch ich nicht länger schweigen.“

Wegner wurde bald darauf von der Gestapo verhaftet und in Berlin Tempelhof eingekerkert und gefoltert. Er verbrachte vier Monate in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern.

Im Dezember 1933 wurde er freigelassen, und über England und Palästina gelangte er nach Italien, wo er sich 1936 in Positano niederließ. Hier heiratete er die Künstlerin Irene Kowaliska, mit der er zusammen im Jahre 1941 den Sohn Michael bekam, der heute in Italien lebt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als freier Schriftsteller abwechselnd in Rom und auf der Insel Stromboli. Am 17. Mai 1978 ist er im Alter von 92 Jahren in Rom gestorben.

Nach dem Krieg hatte man zunächst angenommen, dass Wegner während des Nationalsozialismus umgekommen sei. Auf dem ersten Deutschen Schrifttellerkongress 1947 in Berlin zählte man ihn zu den verschollenen Dichtern und führte ihn auf einem Gedenkstein auf.

In der Tat wurde Wegner in seinem Geburtsland, dem Land der Dichter und Denker, beschämend lange „vergessen“. Er erhielt zwar 1956 das obligate Bundesverdienstkreuz, das aber ohne eine Einladung in die Bundeshauptstadt in Neapel überreicht wurde.

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