Arabella: Zwischen Operette und Psychodrama

Nach 14 Jahren wird wieder eine Strauss-Oper in Wuppertal gespielt. Für die Premiere am morgigen Samstag gibt es noch Karten.

Wuppertal. Stillsitzen ist schwierig. Wenn Georg Köhl von Arabella spricht, ist er kaum zu bremsen. Die Liebe zum Detail ist nicht zu überhören: Der Regisseur plaudert frisch, fröhlich und fantasievoll, hält ein Plädoyer für Figuren in Notsituationen und stimmt mitten im Gespräch auch schon mal ein Lied an.

„Jeder hat einen Lebens-Rucksack zu tragen“, erklärt Köhl, wenn er nicht gerade singt. „Es gibt Menschen, die wir geliebt haben, die wir gehen lassen mussten, die wir vermissen.“ Auch auf Mandrykas Schultern lastet ein solcher „Lebens-Rucksack“. Und wer genau hinhört, spürt schnell, dass sich deshalb bei der Premiere, die am Samstag um 19.30 Uhr im Opernhaus gefeiert wird, längst nicht alles allein um Arabella (Banu Böke), sondern vor allem auch um Mandryka (Kay Stiefermann) drehen dürfte.

Denn für Köhl geht es in seiner „Arabella“-Version vor allem um eines: darum, dass Menschen nicht nur um ihrer selbst Willen geliebt werden, sondern zugleich auch Projektionsfläche sind. „Projektionen sind ein probates Mittel, um leben zu können. Oft sind sie auch ein Schutzfaktor“, betont Köhl. Eine Erkenntnis, die ihn während der Proben zu einer zentralen Frage führte: Wie soll der „passende“ Partner sein, welche Erwartungen projiziert der eine auf den anderen?

Die junge Arabella sucht einen Helden, sprich einen Mann — Mandryka auf der anderen Seite ein Gefühl, das er bereits erlebt hat. Der Witwer hat seine Frau verloren und hofft auf einen gefühlvollen Neuanfang. Dass es allerlei Verwicklungen, Verwechslungen und Ausnahmezustände gibt, bis sich die beiden am Ende wieder gegenüberstehen, gehört zum festen Prinzip der Strauss-Oper. Sie ist eine Mischung zwischen Operette und Psychodrama und gipfelt in Arabellas liebevollem Appell: „Ich kann nicht anders werden. Nimm mich, wie ich bin.“

Damit wäre die Geschichte um eine Spielsucht geplagte Familie, die ihre schöne Tochter aus finanziellen Nöten dringend an den Mann bringen möchte, bereits zu Ende erzählt. Dabei hofft Köhl, dass das Publikum zum guten Schluss erst so richtig anfängt, über Sinn und Zweck von Projektionen nachzudenken. Deshalb gibt es auch eine kleine Anschubhilfe: Der Regisseur bringt Mandrykas tote Frau auf die Bühne — als Kunstfigur, wie sie es nur in Wuppertal gibt.

Überhaupt soll die Barmer Premiere etwas Besonderes sein: „Es gab 14 Jahre lang keine Strauss-Oper mehr in Wuppertal“, betont Hilary Griffiths, der die musikalische Leitung übernimmt und sich auf das Ende der langen Strauss-Pause hörbar freut. „Es ist eine unglaublich virtuose und komplizierte Partitur, alles ist sehr dicht verwoben.“ Auch stimmlich sei Vielfalt Trumpf: „Das Rollenangebot ist sehr farbig und deckt alle möglichen Fächer ab - vom Heldentenor bis zum lyrischen Sopran.“

Wer Zwischentöne liebt, dürfte die Graubereiche der Gefühle (er-)kennen. „Es gibt keine Schwarz-Weiß-Malerei“, verspricht Köhl. Der Zeitpunkt, um in dieser Hinsicht Farbe zu bekennen, ist jedenfalls trefflich gewählt: „Arabella“ spielt zur Karnevalszeit, am Tag vor Aschermittwoch. „Da hört der Spaß auf — im übertragenen Sinn“, erklärt Bühnenbildner Peter Werner, der die Zuschauer in die Wiener Welt um 1860 entführen wird. Am Ende sollen sie sich das fragen, was auch die Figuren auf der Bühne beschäftigt: Was bleibt von der Liebe übrig, wenn der erste Spaß vorbei ist?

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