Wuppertal Krankenkasse zahlt Cannabis nicht

Janine Glanz hat Dauerschmerzen. Obwohl ihr Arzt ihr die Blüten verschrieben hat, muss die Wuppertalerin ihre Medizin selbst bezahlen.

Wuppertal: Krankenkasse zahlt Cannabis nicht
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Seit 2012 hat Janine Glanz Dauerschmerzen. Nach einem doppelten Bandscheibenvorfall und drei Operationen, die ihr Leiden nicht lindern konnten, fiel die 39-Jährige zuletzt in ein tiefes Loch. Nicht unschuldig daran sollen auch die Opiate gewesen sein, die sie gegen die Schmerzen genommen hat. „Mein Wesen hat sich verändert, ich bin depressiv geworden, hatte sogar Suizidgedanken“, schildert Glanz ihre schlimmste Phase Ende 2016.

Im März dieses Jahres dann ein Lichtblick: Glanz entdeckte ein Mittel für sich, das ihr Leben wieder ein klein wenig in normale Bahnen gelenkt hat: Cannabis. Die Blüten wurden ihr vom Arzt verschrieben. „Endlich hatte ich ein Schmerzmittel gefunden, das mir hilft. So konnte ich meine Wohnung wieder verlassen. Vorher ging das gar nicht mehr, so erschöpft war ich von den Schmerzen.“

Ab März 2017 macht ein neues Bundesgesetz bei schwerwiegenden Krankheiten den Einsatz von Cannabisarzneimitteln möglich. Theoretisch. Janine Glanz’ Krankenkasse, die pronova BKK, lehnte die Kostenübernahme in ihrem Fall jedoch ab. Die Wuppertalerin ist frustriert: „Ich kann verstehen, dass so etwas geprüft werden muss, damit sich niemand durch das System schummelt — aber bei mir geht die Notwendigkeit doch aus meiner Krankenakte hervor.“

Das sieht ihre Krankenkasse offenbar anders. „Die pronova BKK übernimmt die Kosten für eine Cannabinoide-Behandlung, sofern medizinische Notwendigkeit besteht. Die Prüfung erfolgt unter Einbindung des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)“, so die Krankenkasse in einer Stellungnahme gegenüber der WZ. Vom 10. März bis 15. Juni habe die Kasse 79 Anträge erhalten und davon 36 bewilligt. Voraussetzung sei unter anderem, dass eine allgemeine anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht.

Glanz, die bereits Widerspruch vor dem Sozialgericht eingelegt hat, kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Sie räumt zwar ein, eine Schmerztherapie abgelehnt zu haben, jedoch habe das einen guten Grund: „Das würde wieder eine Behandlung mit Opiaten bedeuten.“ Das möchte sie jedoch nicht mehr, ebenso wie eine weitere Operation und der Einsatz eines Schrittmachers für sie keine Option mehr sei.

Denn: Janine Glanz ist zusätzlich zu ihrem schweren Los als Schmerzpatientin auch noch pflegende Angehörige. Ihre elfjährige Tochter Jordan ist geistig behindert und benötigt rund um die Uhr ihre Aufmerksamkeit.

Die Therapie mit Cannabis-Blüten bleibt aus Sicht von Janine Glanz die beste Lösung für ihren ganz speziellen Fall. Derzeit zahlt sie das Mittel aus der Apotheke noch aus eigener Tasche — vom Pflegegeld. Ein anderes Einkommen hat die Wuppertalerin derzeit nicht. Für fünf Gramm der schmerzlindernden Blüten zahlt die 39-Jährige 75 Euro. „In diesem Monat habe ich rund 500 Euro für Cannabis ausgegeben. Das kann sich kein Mensch auf Dauer leisten“, sagt sie.

Wie ihre Situation ohne die sehnlichst erwartete Kostenübernahme aussieht, daran mag Janine Glanz kaum denken. „Entweder ich bleibe unversorgt oder ich werde auf den Schwarzmarkt gedrängt“, sagt sie.

Das sei für sie aber eigentlich indiskutabel — allein wegen der Qualität. Schließlich könne das Cannabis, das Dealer illegal verkaufen, qualitativ nicht mit den medizinisch verschriebenen Blüten mithalten. „Das ist auf den Freizeitkonsum ausgelegt.“ Doch für Glanz ist das Cannabis, das sie über einen Taschen-Vaporisator aufnimmt, kein Konsumgut. Es ist Medizin.

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