Kinder von heute sind die Kunstfreunde von morgen

Die städtischen Kultureinrichtungen müssen sich heute schon um ihre Zuschauer in zehn Jahren bemühen.

Kinder von heute sind die Kunstfreunde von morgen
Foto: Andreas Fischer

Wozu gibt es Museen? Warum geht man ins Theater? Und: Sind klassische Konzerte nicht total langweilig? Solche Fragen stellen Kinder. Allerdings nur solche Kinder, die ein grundsätzliches Interesse an diesen Themen haben. Denn viele Jugendliche haben nichts mit Kunst und Kultur zutun, wenn sie nicht über die Familie oder Schule an die Themen herangeführt werden.

Kinder von heute sind die Kunstfreunde von morgen
Foto: Andreas Fischer

Enno Schaarwächter

Genau da setzt die Kulturvermittlung der städtischen Einrichtungen an. Egal, ob Von der Heydt-Museum, Theater, Oper oder Sinfonieorchester: Überall sind Kinder eine Zielgruppe. Dort weiß man: Die Zukunft der Kultur von morgen beginnt mit der Begeisterung der Kinder heute.

„Gerade in einer Zeit, in der immer mehr Kinder und Jugendliche von Haus aus nicht in Kontakt mit Kultur gebracht werden, ist ihre Heranführung besonders wichtig, damit sie an unserer Gesellschaft teilhaben und sie für die Zukunft mitgestalten können“, beschreibt Sylvia Martin, die derzeit einzige Theaterpädagogin der Wuppertaler Bühne, das Ziel ihrer Arbeit.

Workshops, Führungen durchs Theater, Patenklassen — all diese Angebote betreut sie allein und erreichte damit 3346 Kinder und Jugendliche in der Spielzeit 2015/16. Ein Jahr zuvor waren es 2142.

„Wir würden gern wieder zwei Theaterpädagogen mit Arbeitsteilung beschäftigten, wie es bis 2014 war. Aber wir haben in der Finanzierung keine Luft“, sagt Enno Schaarwächter, Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen. Es sei sehr schwierig für nur eine Person, mit all den Schulen Kontakt zu halten.

„Eigentlich müsste man eine eigene Sparte Kindertheater haben, wo sich mehrere Pädagogen nur damit beschäftigen, Workshops mit Kindern durchzuführen“, findet Enno Schaarwächter. Denn heute entscheide sich, wer in zehn Jahren Oper und Schauspiel besucht.

Immerhin hätten die Verantwortlichen beim Land die Bedeutung von Theaterpädagogik erkannt und auch verankert. So müsse sein Haus jährlich nachweisen, dass 25 000 der rund einen Millionen Euro, die die Bühnen vom Land als Zuschuss erhalten, in die Arbeit mit Kindern fließt. Mit dem Geld sei natürlich nur ein Teil der Kosten gedeckt. Allein die Produktion des jährlichen Familienstücks, in diesem Jahr „Der Zauberer von Oz“, das im Budget enthalten sei, schlage schon mit 50 000 Euro zu Buche — von den Personalkosten ganz abgesehen.

Überschaubar sind hingegeben die Kosten von 6000 Euro fürs Education Team des Sinfonieorchesters. Dort kümmern sich drei Musiker, die dafür eine „Arbeitserleichterung“ erhalten, wie Enno Schaarwächter erläutert, um die Kontakte mit Kindergärten und Schulen. Familienkonzerte seien ein fester Bestandteil im Spielplan. „Bei den Orchestern sind wir in Wuppertal mit unserer pädagogischen Arbeit führend“, sagt der Bühnen-Geschäftsführer stolz.

So nahmen in der vergangenen Spielzeit 161 Klassen von 46 Schulen allein an den 18 Schulkonzerten und bei „Orchester zum Anfassen“ teil. Rund 200 Schüler von weiterführenden Schulen lauschten einem Sinfoniekonzert.

Im Von der Heydt-Museum kümmert sich ein Team von 20 Personen, die meisten davon Honorarkräfte, um Kinder ab fünf Jahren. Zu jeder Ausstellung gibt es ein eigenes Programmheft mit Kinder- und Familienführungen. Außerdem wird ein Kinderheft erstellt, womit sich die jungen Besucher die Ausstellung selbst erschließen können.

246 Kinderführungen fanden 2015 statt. 340 waren es im Jahr zuvor. „Wir haben jeden Tag von Dienstag bis Freitag Kindergärten und Schulklassen hier. Am Wochenende bieten wir öffentliche Angebote“, berichtet Julia Dürbeck, zuständig für die Organisation der Kunstvermittlung. Sogar Kindergeburtstage würden ausgerichtet. Die Tänzerinnen von Degas und Rodin zögen besonders kleine Mädchen an, die einen „Ballett-Geburtstag“ feiern wollten.

Warum es wichtig ist, schon Kinder an Kunst heranzuführen? „Bilder berühren. Man kann die eigene Lebenswelt reflektieren, findet Anlass zu diskutieren“, sagt Dürbeck. Kinder gingen unbefangen an Kunst heran.

Anschließende Besuche im „Atelier“, wo die Kinder selbst malen, zeichnen oder gestalten können, machten die Kinderführungen zu einem „Kunsterlebnis“, betont Julia Dürbeck. Jeden Samstag findet außerdem der Mini-Kunsttreff im Atelier am Wall statt.

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