Kinder in Not — der Sozialdienst hilft überforderten Eltern

Im Bezirkssozialdienst finden Eltern Hilfe. Doch häufig ist die Hemmschwelle, sich anzuvertrauen, hoch. Die WZ war bei einem Beratungsgespräch dabei.

Wuppertal. Der Sohn von Simone Sauer (Name von der Redaktion geändert) war als Kleinkind kaum zu bändigen — er war aufsässig, versuchte Erwachsene gegeneinander auszuspielen — kurzum, für Simone Sauer war es nicht leicht, dem kleinen Jungen eine gute Mutter zu sein. Hinzu kam ein problematisches Verhältnis mit dem Ex-Partner. Dann, Mitte 20, erlitt die heute 38-Jährige einen Innenwand-Infarkt und entschied: Ich kann mich um mein Kind nicht mehr kümmern.

Es ist wohl eine der schwersten Entscheidungen im Leben einer jeden Mutter: Das eigene Kind weggeben — in Obhutnahme geben, heißt das im Amtsdeutsch. Sich einzugestehen, ich schaffe das hier nicht mehr, ich kann den Bedürfnissen meines Kindes nicht gerecht werden. Und zu sagen: Jugendamt, hilf mir, das sei vor allem auch ein mutiger Schritt, sagt Petra Schmähling-Gruß, Leiterin des Bezirkssozialdienstes 7 (kurz BSD 7) in Oberbarmen.

Im Fall von Simone Sauer war es der einzig mögliche Schritt, das eigene Kind und sich selbst zu schützen. Seit mehr als zwölf Jahren lebt Andreas (Name von der Redaktion geändert) nun bereits in einer Einrichtung, die seinen speziellen Bedürfnissen gerecht wird. Lange haben Petra Schmähling-Gruß und ihre Kolleginnen vom BSD 7 nach dieser Einrichtung gesucht.

Lange hat aber auch Simone Sauer nach dem richtigen Jugendamt gesucht. Ihre Freundin Marlies Gläntzer, die vor vielen Jahren ebenfalls vor der schwierigen Entscheidung stand, ihr Kind abgeben zu müssen, hat sie mit Petra Schmähling-Gruß zusammengebracht. „Simone wäre sonst nie zu einer Beratung gegangen“, ist Gläntzer noch heute überzeugt.

Zu groß war die Hemmschwelle für die junge Mutter damals, denn sie hatte bereits negative Erfahrungen mit dem Jugendamt gemacht. „Aber ich wusste, hier kümmern sich die Mitarbeiter um sie“, erinnert sich Marlies Gläntzer und vereinbarte den Termin für die Freundin.

Seitdem gab es viele Beratungsgespräche, und Simone Sauer fühlt sich ernst genommen. Dennoch ist es ihr oft zu viel, noch immer quält sie sich mit den Fragen, die sich alle Eltern stellen: Was habe ich nur falsch gemacht?

„Die elterliche Verantwortung endet ja nicht damit, dass ich mein Kind abgebe“, stellt Schmähling-Gruß klar. So ist es auch bei Simone Sauer. Sie selbst, ihre Freundin und die Mitarbeiter des BSD sind in ständigem Kontakt mit Andreas und dessen Betreuern in der Einrichtung. „Aber er macht viel Mist“, sagt Sauer in einem Beratungsgespräch. Auf Augenhöhe begegnen ihr Schmähling-Gruß und Tina Müller, die eigentliche Sachbearbeiterin. Da fällt auch auf Seiten der Jugendamts-Mitarbeiter mal ein Kraftausdruck.

Nach einem sogenannten Hilfe-Plan-Gespräch, kurz HPG, hat Andreas genau das Gegenteil von dem gemacht, was besprochen worden war. „Das fing direkt nach dem HPG an“, beklagt sich die Mutter. Geduldig hören Schmähling-Gruß und Müller zu. Doch dann blickt die Sachbearbeiterin auf die Uhr: „Frau Sauer, unsere Zeit ist gleich vorbei.“

Vielleicht steht der Familie bald ein Happy End bevor, und Andreas wird wieder bei seiner Mutter leben. Bis dahin wird es aber noch viele Gespräche geben müssen. Denn Simone Sauer hat Angst vor einer solchen Veränderung, weiß nicht, ob sie der Situation gewachsen sein wird.

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