Kein Rostschutz für die alten Teile der Müngstener Brücke

Komplettschutz ist bei Kosten von 30 Millionen Euro zu teuer.

Müngsten. Die Müngstener Brücke ist kein Schmuckstück mehr. Das bestreitet Hans Günter Gewehr von der Bahn-Tochter DB Netz auch gar nicht: "Die Optik ist miserabel", sagte der Bauingenieur, der für die Sicherheit der 113 Jahre alten Brücke zuständig ist. Aber einen Rostschutzanstrich werde sie nicht bekommen - nicht die einzige Äußerung, mit der er im Solinger Verkehrsausschuss für Empörung sorgte.

Das Baudenkmal sei standsicher, betonte der Ingenieur. Die Substanz der Stahlteile sei in Ordnung; es gebe "nahezu keine Abrostung an tragenden Teilen". Es würden regelmäßig Stahlstücke entnommen und untersucht. Wann der alte Stahl seine "Ermüdungsgrenze" erreiche, könne niemand vorhersagen.

Ein Rostschutzanstrich bringe nichts - und sei viel zu teuer, erklärte Ingenieur Gewehr. Korrosionsschutz für das Bauwerk würde bis zu 30 Millionen Euro kosten, erläuterte er später. Die Brücke müsste Stück für Stück umhüllt werden, um die Oberflächen abzustrahlen. Den ganzen Koloss auf einmal "einzuhausen", sei zwar einfacher, aber aus statischen Gründen nicht machbar: Die Planen würden bei Wind wie ein Segel wirken und die Standsicherheit gefährden. Er schätze die Dauer solcher Arbeiten auf zwei bis drei Jahre - mit langfristiger Gleissperrung und kostspieligem Schienenersatzverkehr.

Sein Jahresbudget für die Brücke beziffert Gewehr auf 360.000 bis 400.000 Euro. Dafür werden unter anderem Gutachten erstellt; pro Jahr kommt je einer der drei Hauptbereiche der Brücke an die Reihe. 2009 sei das der Fahrweg gewesen, so Gewehr. 2010 sind es die Bögen. Schadhafte Teile würden ausgetauscht. Die neuen Teile und umliegende Elemente erhalten Rostschutz.

Dass das Eisenbahn-Bundesamt im Herbst die Brückennutzung auf Züge bis 100 Tonnen Gewicht einschränkte, begründet der Ingenieur mit "Irritationen" in der Aufsichtsbehörde. Dort habe eine "Nachrechnung" aus den 50er Jahren nicht vorgelegen. Das Eisenbahn-Bundesamt begutachtet derzeit Berechnungen aus dem Jahr 1955. "Bei dieser Auswertung wird die Alterung der Brücke seit diesem Jahr berücksichtigt", erklärt Behördensprecher Ralph Fischer. Die bisherigen Erkenntnisse gäben dem Bundesamt keinen Anlass zum Einschreiten. Die Bahn selbst habe "Restriktionen für Sonderverkehre" festgelegt. Darüber hatte Bahn-Ingenieur Gewehr den Ausschuss nicht informiert.

Dafür erregte er Unmut mit dem sinngemäßen Hinweis, die bergischen Städte hätten ja nicht nur in den Ausbau des Brückenparks, sondern auch in die Brücke selbst investieren können. Das sei aber nur seine "persönliche Meinung". Planungsdezernent Hartmut Hoferichter wies jede "Mithaftung" mit der Anmerkung zurück: "Es fällt mir schwer, jetzt ruhig zu bleiben." Für den zurückhaltenden Stadtbeamten fast schon ein Gefühlsausbruch.

Und Hoferichter regte ein weiteres Gespräch an. Dabei soll es auch darum gehen, wie Selbstmörder von der Brücke ferngehalten werden könnten.

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