Kain und Abel in Ronsdorf

Die JVA macht bei der „Knastkulturwoche“ des Landes mit und beeindruckt mit Schauspiel und Fotos.

Kain und Abel in Ronsdorf
Foto: Stefan Fries

Ronsdorf. „Was soll nur werden aus dir?“, fragt der Vater vorwurfsvoll immer und immer wieder. Es wird ein vielstimmiger Chor, denn gleich mehrere Darsteller mimen den Vater, der in seinem Sohn nur einen Versager sieht. Der Sohn eckt an, findet keine Anerkennung, während der Bruder erfolgreich ist. Bis der ungeliebte Sohn schließlich den so viel anerkannteren Bruder tötet. Es ist die alte biblische Geschichte von Kain und Abel, die sechs junge Männer in der Jugendhaftanstalt (JVA) Ronsdorf auf die Bühne bringen — und damit das Publikum schwer beeindrucken. Schon zur Generalprobe, die eigentlich eine Premiere ist, gibt es „standing ovations“.

Mit wenigen Mitteln — als Kulisse dienen hauptsächlich einige Würfel — erzählen sie die Geschichte, schlüpfen abwechselnd in die drei Rollen von Vater und Söhnen. Und erzählen viel über ihre Körpersprache. So gehören auch Bilder zum Stück, in denen sie wie Skulpturen auf ihren Würfeln stehen und mal Aggression, mal Angst, mal Spott, mal Beschämung darstellen.

„Unheimlich intensiv und ergreifend“ sei es gewesen, sagt einer der rund 50 Besucher der Generalprobe. „Tief beeindruckt“ ist eine andere Besucherin. Die JVA hat sie über die Evangelische Bergische Gefängnisgemeinde eingeladen, um den Besucherkreis klein zu halten. Die Gefängnisgemeinde hat das Theater auch mit ermöglicht.

Schauspieler Kai Bettermann hat mit den Jugendlichen das Stück „Kain“ inszeniert, das Friedrich Koffka 1917 geschrieben hat. Mit Gefängnis-Seelsorgerin Ulrike Hollander hat er die Idee umgesetzt, mit den Gefangenen nicht nur Theater zu spielen, sondern auch vor Publikum aufzutreten. Beide erinnern besonders den Moment, als die Jugendlichen erstmals Zutrauen fassten, dass das Stück gelingt.

Einer der jungen Männer erzählt: „Am Anfang war es sehr chaotisch. Wir dachten, dass es keiner schafft, den Text zu lernen.“ Erst sei die Theatergruppe nur willkommener Anlass gewesen, die Zelle zu verlassen, dann habe es Spaß gemacht. Sie hätten auch viel über das Stück geredet. „Kain ist herzensgut und wird missverstanden“, erklärt einer. „Jeder ist schon mal in so eine Situation geraten.“ Vor der Aufführung seien sie „sehr aufgeregt“ gewesen, erzählen sie. Es sei schwer gewesen, nicht zu lachen. Aber nach dem begeisterten Applaus dürfen sie wieder - und es breitet sich ein sehr breites Grinsen in ihren Gesichtern aus.

Berührende Einblicke ermöglicht auch die Fotoausstellung „Mein Leben“, die ebenfalls im Rahmen der Knastkulturwoche zu sehen war. Über mehrere Monate zeigte Profi-Fotograf Robert Hoernig zwölf Gefangenen, wie man mit der Kamera gute Bilder macht. Gleichzeitig beschäftigten sich die Jugendlichen mit sich und ihrem Lebensweg. Die Teilnehmer fotografierten sich gegenseitig in der Zelle, im Sportraum und auf dem Gelände. An einem Wochenende durften auch Angehörige mit ihnen fotografiert werden — dabei entstanden sehr emotionale Bilder. Die Fotos wurden zu Porträt-Collagen zusammengestellt.

Daneben gibt es großformatige Porträts von Robert Hoernig. Er zeigte die Jugendlichen unter anderem mal in Gefängnis-, mal in eigener Kleidung. Deutlich ist zu sehen, wie die jungen Männer in der eigenen Jeans und dem eigenen Kapuzenpulli gleich ganz anders in die Kamera blicken. Reflexion über Bilder und was dahinter steckt, Einfühlung in das Gegenüber und vorausschauendes Planen waren die pädagogischen Ideen des Projekts.

Ebenfalls Teil der Knastkulturwoche war eine einstündige Sondersendung im Bürgerfunk. Darin stellte die Radiogruppe der JVA die Knastkulturwoche vor, und was sonst noch in der JVA an Kultur möglich ist.

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