Junge tot: Gericht hört 30 Zeugen zum gekippten Automaten

Fahrlässige Tötung: Prozess gegen Aufsteller beginnt diese Woche. Fünf Tage geplant.

Wuppertal. Am 25. Oktober 2008 kippte im Vorraum der städtische Sporthalle am Hesselnberg ein 150 Kilogramm schwerer Süßwarenautomat auf ein eineinhalb Jahre altes Kind. Der Junge erlitt schwerste Verletzungen, denen er erlag. In dieser Woche — mehr als drei Jahre nach dem Unglück — steht vor dem Schöffengericht die juristische Aufarbeitung des Falles an.

Wie berichtet, müssen sich zwei Männer — 74 und 38 Jahre alt — wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung verantworten. Der Ältere — ein Wuppertaler — war bis Frühjahr 2008 Betreiber der Aufstellerfirma, der Jüngere — ein Kölner — übernahm den Betrieb.

Laut Anklage haben beide Männer hinsichtlich der Standfestigkeit des Automaten gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Das 150-Kilo-Gerät soll schon geraume Zeit vor dem Unglück nicht mehr in einer ursprünglich angebrachten Bodenverankerung gestanden haben. Stattdessen habe der Automat auf zwei Kanthölzern gestanden. Außerdem soll das Kopfteil mit einem Stahlseil und einem Haken in der Wand verbunden gewesen sein. Fazit der Ermittler: Eine ausreichende Standsicherung war damit nicht mehr gegeben.

Das Schöffengericht soll den Fall jetzt klären. Ein schwieriges Unterfangen: 30 Zeugen sind für das Verfahren geladen, fünf Verhandlungstage geplant. Die Frage, wer für den Fall des Automaten die Verantwortung trägt, ist umstritten.

Wie berichtet, wollte die Staatsanwaltschaft in den drei Jahren nach dem Unglück zwei Mal die Ermittlungen einstellen. Eine strafrechtliche Verantwortung sei nicht beweisbar. Zweimal legte die von den Eltern des toten Jungen beauftragte Rechtsanwältin Hannah Milena Piel bei der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf Beschwerde dagegen ein. Zweimal wurde daraufhin nachermittelt, unter anderem jede Menge Zeugen befragt. Ergebnis: die aktuelle Anklage, die vom Schöffengericht zur Hauptverhandlung zugelassen wurde. Anwältin Piel — sie und ein Antwaltskollege treten als Nebenkläger für die Eltern im Prozess auf — hat gegenüber der WZ am Montag bestätigt, dass man sich zivilrechtliche Forderungen vorbehält. Was sich strafrechtlich vor dem Amtsgericht ergibt, scheint allerdings völlig offen. Der ältere Angeklagte macht von seinem Schweigerecht Gebrauch, der jüngere weist die Vorwürfe zurück. Und: Niemand hat den Moment beobachtet, als der Automat kippte. Der Vater stand in der Nähe, soll aber nur einen Knall gehört haben. Was die Vielzahl der Zeugen über die Standfestigkeit des Automaten sagen können, bleibt abzuwarten.

Wie die WZ erfuhr, soll das Gerät schon beim ersten Aufstellen im Jahr 1996 nicht ordnungsgemäß verschraubt worden sein. Dafür ist definitiv niemand mehr zur Verantwortung zu ziehen. Der Zeitpunkt ist strafrechtlich verjährt.

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