Julia Jones: „Man muss nicht alles auf den Kopf stellen“

Die Generalmusikdirektorin des Sinfonieorchesters blickt auf ihre erste Spielzeit in Wuppertal zurück.

Julia Jones: „Man muss nicht alles auf den Kopf stellen“
Foto: Anna Schwartz

Ihre erste Spielzeit mit dem Sinfonieorchester Wuppertal neigt sich dem Ende zu. Generalmusikdirektorin Julia Joneshat sie unter das Motto „Brüche in Stadt und im Programm“ gestellt. Ein Jahr mit vielen Erfahrungen, die noch verarbeitet werden wollen. Der Plan für die nächste Spielzeit steht längst. Im Gespräch mit der WZ blickt die 57-jährige Engländerin zurück, erzählt, wie es weitergeht, wie sie ihren Dirigentenberuf auffasst und warum sie sich in Wuppertal wohlfühlt.

Wie lautet Ihr Fazit der ersten Spielzeit?

Jones:. Es war sehr spannend. Ich habe Stadt und Menschen kennengelernt, die Kollegen im Haus und die Musiker, die ich vorher nur als Gastdirigentin erlebt hatte. Wir haben spannende musikalische Erlebnisse nicht nur in der Stadthalle gehabt, sondern auch außerhalb mit meiner neuen Reihe „Uptown Classics“. Und wir haben auch einmal im Zoo gespielt beim Projekt „Conduct us“, da durften die Besucher das Sinfonieorchester dirigieren. Wir haben ein breites Repertoire gespielt, haben im Programm für die Sinfoniekonzerte starke Kontraste drin — alt und neu, Barock und Modern, Werke aus verschiedenen Epochen direkt nebeneinander gesetzt. Ich habe neue Ideen ausprobiert, die Musiker haben Ideen mitgebracht. Ich hatte sehr viel Austausch, auch mit den Politikern, habe viele positive Erfahrungen gemacht.

Geht es um die richtige Mischung aus häufig und selten gespielten Stücken?

Jones: Das ist mein Ziel. Man muss nicht alles auf den Kopf stellen. Neue Kombinationen sind gut. Klar wollen und müssen wir Beethoven, Brahms, Mozart spielen. Aber es gibt erstaunlich viele Stücke, die hier in Wuppertal noch nie gespielt wurden.

Wie haben Sie die Wuppertaler erlebt?

Jones: Sie sind offen, ehrlich, haben Passion für klassische Musik. Ich habe viele Briefe bekommen, fühle mich sehr willkommen. Das ist wichtig. Auch dass diskutiert und gesagt wird, wenn man etwas nicht so haben will.

Wie gehen Sie in die nächste Spielzeit?

Jones: Ich möchte den Weg der ersten Spielzeit weitergehen und dabei auch das traditionelle Repertoire spielen. Das ist für alle sehr wichtig. Und deshalb ist im Programm zum Beispiel ein Brahms mit einem Bartók und ein Walton mit einem Beethoven kombiniert. Es gibt so viele Stücke, die wir spielen müssten, aber bei zehn Sinfoniekonzerten haben wir nur Platz für 35 Stücke. Bei „Uptown Classics“ kommen wunderbare Werke aus der Spätbarock- und Frühklassik zum Zuge, die sonst kaum gespielt werden und kleinere Besetzungen verlangen als die eines ganzen Sinfonieorchesters.

Wie erleben Sie das Sinfonieorchester Wuppertal?

Jones: Es hat ein sehr hohes Niveau. Wir haben junge und ältere Musiker, eine spannende Mischung. Die Neuen bringen frischen Wind, die Älteren haben Erfahrung. Unsere Musiker können alles spielen. Und sie sind offen für Neues.

Wie fassen Sie Ihre Arbeit als Dirigentin auf?

Jones: Wir haben die Vorlage vom Komponisten. Mein Job ist es, sie zu übersetzen, ich bin für das Resultat verantwortlich. Jeder Dirigent hat seine eigene Auffassung, dabei geht es nicht darum, wer recht hat. Es geht mehr um Interpretation. Die Töne wecken Emotionen, Atmosphäre. Die Menschen hören, jeder kann sich etwas Anderes vorstellen. Man sollte sich selbst und der Partitur treu und flexibel sein. Bei Werken, bei denen der Komponist alles vorgibt, also vor allem ab der Romantik, ist die Interpretation einfacher. Bei früheren Werken ist das nicht so, muss man Entscheidungen treffen.

Gibt es genug weibliche Dirigenten?

Jones: Als ich in den 80-er Jahren anfing, war ich eine der ersten Dirigentinnen, insofern automatisch Vorbild. Heute gibt es viele junge und sehr gute Dirigentinnen. Es ändert sich gerade viel.

Ist Dirigieren Ihr Traumjob?

Jones: Ja. Sonst würde ich ihn nicht machen.

Sie stehen mit dem Rücken zum Publikum — wie ist das für Sie?

Jones: Kein Problem. Wenn das Konzert los geht, bin ich voll auf meine Aufgabe, die Musik, konzentriert.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Deutschland?

Jones: In Deutschland habe ich meine Stelle und eine Wohnung. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens hier gelebt, meinen Beruf gelernt. Ich finde den Umgang mit Kultur, Musik, Geschichte hier toll. Ihre Geschichte ist eine so schwierige. Ich kenne viele Menschen hier, die weltoffen sind, die nachdenken. Ich fühle mich sehr wohl in Deutschland, aber mein Zuhause ist in Portugal.

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