Meinung Jeden Cent wert

Bei all dem Hauen und Stechen im Rathaus ist mit guten Nachrichten ja kaum noch zu rechnen. Am Dienstag erst sollen sich die Entscheidungsträger wieder einmal gestritten haben wie die Kesselflicker. Es ging um die Bundesgartenschau und das Geld, das dafür benötigt wird.

Meinung: Jeden Cent wert
Foto: Schwartz, Anna (as)

Das Gespräch sollte offenbar der Versuch sein, den Kassenwart zu bewegen, die Schatulle zu öffnen. Das könnte Kämmerer Johannes Slawig selbstverständlich tun. Mit dem schwarzen Loch, das sich dann offenbart, lässt sich aber nicht einmal eine Kleingartenschau bezahlen. Deshalb ist es ja so dringend notwendig, dass alle Willigen sich für so ein großes Ziel wie die Buga zusammentun und einen Weg aufzeichnen, der zum Ziel führt. Ob das nun zwei Jahre früher oder später erreicht wird, ist egal. Hauptsache es hat Sinn und nutzt dieser Stadt und ihren Einwohnern.

Das muss sowieso Antrieb allen Handelns in einem Rathaus sein. Es geht immer darum, was der Allgemeinheit nutzt und nie darum, dass Einzelne beglückt werden, es sei denn, alle könnten sich dann begründet mitfreuen.

Wie zum Beispiel an den Vertragsverlängerungen von Berthold Schneider und Thomas Braus. Darüber sollten auch die jubeln, denen Opern zu anstrengend sind und Schauspiel höchstens selten etwas sagt. Denn diese Entscheidung des Bühnen-Aufsichtsrats und des Kulturdezernenten ist ein sehr eindeutiges und wichtiges Signal: Kultur gehört zu Wuppertal. Nach all den Jahren mit Irrungen und Wirrungen, mit dem Damoklesschwert über dem Schauspielensemble, mit Bergischen Horrorfantasien vom Fusionsorchester, mit einer beinahe zu Tode geschrumpften Oper sind die neuen Zeichen aus dem Rathaus ermutigend. Wuppertal hat kein Geld, aber an der Kultur wird nicht noch mehr gespart. Das ist richtig, auch vor dem Hintergrund, dass Straßen Löcher haben und Kindergartenplätze fehlen und Schulen saniert werden müssen. Es ist richtig, weil Kulturangebote mit jedem Tag wichtiger werden. Sie sind nicht nur notwendig für die Lebensqualität einer Stadt. Kultur ist Bildung, sie erweitert den Horizont. Das ist ihre Aufgabe. Und Aufgabe von Politik und Verwaltung ist es, Kulturschaffende darin zu unterstützen.

Die etwa 20 Millionen Euro, die Wuppertal jedes Jahr in seine Bühnen und sein Orchester investiert, sind nicht einmal drei Prozent des Gesamthaushaltes der Stadt und sehr gut ausgegebenes Geld. Leider aber scheint das immer noch zu wenig zu sein.

Heute treffen sich in Barmen wieder ein paar Dutzend, wenn es schlecht läuft auch einige Hundert Gestalten, die der Mehrheit ihr krudes Gedankengut aufzwängen wollen. Es geht um Überfremdung, es geht darum, dass jeder Ausländer, jeder Flüchtling potenziell bestimmt ein Verbrecher ist, der nur herkommt, um sich am deutschen Sozialwesen zu laben. Es geht um Ausländerfeindlichkeit und dumpfen Nationalismus.

Dass für diesen braunen Spuk Kindern eine Tanzveranstaltung auf dem Geschwister-Scholl-Platz vorenthalten wird, auf die sich die Kleinen wochenlang vorbereitet, auf die sie hingefiebert haben, ist traurig. Aber es ist nicht das Traurigste.

Das Schlimmste ist, dass in einer Stadt, die über Jahrzehnte Deutschsein und kulturelle Vielfalt problemlos miteinander verbunden hat, nun Extremisten egal, welcher Farbe, den Ton angeben, und sei es auch nur für ein paar Stunden. Gegen Borniertheit, gegen Ignoranz und Hartherzigkeit, gegen Dummheit hilft Kultur — in Schulen, auf Plätzen auf Bühnen. Davon sterben die Dummen zwar nicht ganz aus, aber ihre Zahl sinkt.

Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass sich die Stadt Wuppertal durch neue Verträge für den Opernintendanten Berthold Schneider und den Schauspielintendanten Thomas Braus zu ihrer Kultur bekennt — obwohl und gerade weil ihre Kassen leer sind.

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