Instrument mit bewegter Historie

Die Sauer-Orgel in der Friedhofskirche hat viel mitgemacht. Ganz zerstört wurde sie nie, dafür musste sie von Schimmel befreit werden.

Instrument mit bewegter Historie
Foto: Andreas Fischer

Die Hochstraße trennt bekanntlich den Ölberg in die östliche und westliche Hälfte. Ganz oben auf der Kuppe, so ziemlich in der Mitte des Stadtteils steht sie seit 1898, die Friedhofskirche. Deshalb wird nicht von ungefähr die größte evangelisch-reformierte Kirche Wuppertals im Volks-mund auch Ölbergdom genannt. Nicht nur von außen ist der mächtige Sakralbau sehenswert. Auch drinnen kann man sich nicht sattsehen. Es herrscht Historismus vor, also eine Mischung aus Romantik, Gotik, Renaissance und Barock.

Wuppertaler

Meisterwerke

Die Bauweise ist spätromantisch. Die bunten, großen und kleinen bleiverglasten Scheiben fallen ins Auge, sorgen tagsüber für ein herrliches Licht. Mächtig ist das Kanzelgewölbe mit dazugehöriger Kanzel, dem Presbyterium und dem Abendmahlstisch. Das Ensemble verdeckt nur ein wenig den dahinter befindlichen großen Orgelprospekt. Er gehört zum Opus 731 aus der renommierten Orgelbauwerkstatt Siegfried Sauer, die seit der Einweihung der Kirche treu ihren Dienst verrichtet. Alles ist prächtig. Gehört sich das denn für einen reformierten Bau? Steht eigentlich nicht schmucklose, schlichte Sachlichkeit dieser Glaubensrichtung im Vordergrund? Wofür eine riesige Orgel? Kirchenmusik nimmt doch auch heute noch in der Regel keinen so großen Stellenwert ein. Denn das Wort zählt viel mehr als Musik.

In der Tat waren damals die dafür verantwortlichen Personen mutig, als sie sich für solch eine Kirche und die dazu passende Königin der Instrumente entschieden. Und als der Bau im Rahmen eines Festgottesdienstes seiner Bestimmung übergeben wurde, war der „Reformierte Gesangsverein“ daran beteiligt. Das war sogar ein vorsichtiger Anfang in Sachen anspruchsvoller Kirchenmusik. Zu diesem Aufbruch hin zu mehr Tönen während der Gottesdienste gehört auch die prachtvolle Sauer-Orgel. Das Instrument hat eine lange Geschichte hinter sich. Zum Glück wurde es nie zerstört. Dennoch war der Werdegang nicht ohne Kümmernisse. Das erste Leid erfuhr die zweimalige Orgel bereits 1917 während des Ersten Weltkriegs. Edle Metalle wurden zu Rüstungszwecken rar. Also wurden die wertvollen Prospektpfeifen aus Zinn entfernt. Stattdessen kamen billige aus Zink rein. Die wurden erst 1995 wieder gegen Zinn ausgetauscht. In diesem Jahr fand eine gründliche Restaurierung statt. Unter anderem wurden die Kegel neu beledert, beschädigte Teile am Spieltisch erneuert, Schmutz beseitigt.

Groß war dann der Schock im Jahr 2010. Denn es wurde festgestellt, dass die Orgel fast unwiederbringlich mit Schimmel befallen war. Hochgefährlich seien die Sporen, befand ein biologisches Institut. Man dürfe nur mit Mundschutz auf ihr spielen. Guter Rat war teuer. Schließlich wurde sie von dem Übel grundlegend mit biologischen Mitteln befreit. Leider nicht zu rettende Teile — manche von 1898 — mussten ersetzt werden. Zuständig dafür war die bedeutende Berliner Orgelbauwerkstatt Schuke. Seitdem erstrahlt sie wieder in altem Glanz. Die 30 Register — verteilt auf zwölf im Hauptmanual, zehn im zweiten Manual und acht im Pedal — klingen wieder wie anno 1898.

Außerdem befindet sich das gesamte Instrument wieder in dem Zustand, als es gebaut wurde. „Der Originalklang wurde wieder zurückgeholt“, schwärmt Kantor Thorsten Pech, der sich um das Schmuckstück kümmert. „Die deutsch-romantische Klangfarbe mit ihrem runden und tiefgründigen Sound, ähnlich dem eines Orchesterklangs ist wieder da. So etwas gibt es bei barocken Orgeln nicht. Sie ist die älteste originalerhaltene Orgel Wuppertals in dieser Größe“, erklärt er. Wer schon einmal Konzerte mit diesem Instrument erlebt hat, kann Pechs Statement nur zustimmen. Sie klingt wirklich grandios.

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