Im Wechselbad der Gefühle

Der Zufall hat gestern zwei für Wuppertal bezeichnende Berichte in der Westdeutschen Zeitung zusammengeführt. Da war auf der einen Seite der Beitrag über das zehnjährige Bestehen der Junior Uni und die Skulptur, die Tony Cragg für diese außergewöhnliche Hochschule geschaffen hat.

Im Wechselbad der Gefühle
Foto: Schwartz, Anna (as)

Auf einer anderen Seite ging es um den Versuch des Landes, auf der Basis gesammelter Daten die Fahrstrecken von Lastwagen zu optimieren. Ziel ist, den Schwerlastverkehr von Innenstädten wie beispielsweise Wuppertal fernzuhalten. An der Datensammlung beteiligt sich Wuppertal allerdings nicht. Als Grund führt der zuständige Verkehrsdezernent Frank Meyer „kein Geld“ an.

Was haben nun die Lastwagen mit der Junior Uni und Tony Cragg zu tun? Viel, sehr viel sogar. Die beiden Artikel zeigen nämlich, wie tief die Schlucht zwischen Gestaltern und Verwaltern in Wuppertal inzwischen geworden ist. Hier die Junior Uni, ausgedacht und initiiert von Ernst-Andreas Ziegler, geplant, gebaut und finanziert von Unternehmen wie Knipex, Bayer und Coroplast sowie von loyalen Gönnern wie der Jackstädt-Stiftung — ohne auch nur einen Cent öffentlichen Geldes. Dort eine Stadtverwaltung, die in Teilen nicht einmal mehr dem schlechtesten Ruf der deutschen Behörde gerecht wird. Wenn nicht fehlendes Geld als Grund für Stillstand angeführt wird, dann ist es fehlendes Personal. Auf jeden Fall gibt es vor allem an der Spitze des Dezernates für Stadtplanung, Bauen und Verkehr offenbar immer etwas, das mehr für Stehen spricht als für Gehen.

Das ist misslich in einer Zeit, in der die Welt vor gravierenden Änderungen steht. Digitalisierung ist kein Gespenst mehr, das hinter irgendeiner Ecke lauert. Sie ist da. Und sie fordert auch Rathäuser heraus. Da wäre es eigentlich eine gute Nachricht, dass Wuppertal vom Land zur Modellkommune für Digitalisierung in NRW ernannt worden ist. Mit vier weiteren Städten beziehungsweise Regionen hat das Rathaus nun die Chance, sich mit Projekten um Fördermittel von gut 90 Millionen Euro zu bewerben. Geld gäbe es also. Aber vermutlich werden zu wenig Leute verfügbar sein, wenn es darum geht, in die Fördertöpfe zu greifen. Es ist ein einziges Elend.

Und es steht in einem krassen Widerspruch zur Geschichte der Junior Uni. Das fröhlich bunte, so ermutigende Gebäude symbolisiert ein tatkräftiges, lokalpatriotisches Bürgertum, das auch Errungenschaften wie die Nordbahntrasse oder ein Theater am Engelsgarten oder auch das TiC in Cronenberg möglich macht. Es steht für Menschen und Stiftungen, die in und für Wuppertal erreichen, was andernorts undenkbar wäre. Es ist eine Verheißung, was noch alles möglich wäre, gäbe es diese tiefe Schlucht zwischen Gestaltern und Verwaltern nicht.

Aber es gibt sie. Deshalb erinnert Wuppertal an eine Fußballmannschaft, die fast jeden Gegner aus dem Stadion schießen könnte, sich statt dessen aber die Hände an die Füße bindet, teilnahmslos auf der Wiese sitzt und zuschaut, wie die Konkurrenz ein Tor nach dem anderen erzielt.

Kein Geld? Keine Leute? Keine Kapazität, ein paar Daten zu erheben, die vielleicht zu weniger Lkw in der Innenstadt führen? Und das an einem Tag, an dem der berühmteste lebende Bildhauer der vollständig privat finanzierten Junior Uni eine Skulptur schenkt? Härter kann ein Wechselbad der Gefühle kaum sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort