Hilfe bei MS: „Wir sind nicht allein“

Eine Beratungsstelle unterstützt Multiple-Sklerose-Patienten im Alltag.

Wuppertal. Es war der 4. Februar 2009, Judith Brandt wollte morgens einen Schluck aus ihrer Tasse nehmen, als sie bemerkte, dass der Kaffee einfach wieder aus ihrem Mund lief. Obwohl sie spürte, dass sie keine Kontrolle mehr über ihre Muskeln hatte, war die 41-Jährige zuerst nicht beunruhigt. Erst als sie beim Schnäuzen auch ihre Nase nicht mehr spürte und eine Gesichtshälfte gelähmt war, entschloss sich die damalige Altenpflegerin, ins Krankenhaus zu gehen.

Ein Verdacht auf MS - also Multiple Sklerose (siehe Kasten) - kam bei den Ärzten zwar schnell auf, doch bis zur sicheren Diagnose vergingen viele Wochen. Wochen, in denen Judith Brandt einen weiteren Schub hatte. "Von jedem Schub bleibt etwas zurück", sagt die 41-Jährige.

Die Mutter eines neunjährigen Sohnes kämpft noch heute mit den Folgen. Sie hat nicht mehr die nötige Kraft, ist schnell müde und kann nicht ohne Einschränkung gehen. In ihrem Job kann die gelernte Physiotherapeutin nicht mehr arbeiten, ist mit 41 Jahren Frührentnerin. Seit einem Jahr muss sie mit der unheilbaren Krankheit leben, die ihr gesamtes Leben verändert hat. "Es hat lange gedauert, bis ich alle Informationen und die richtigen Ansprechpartner gefunden hatte", erzählt Judith Brandt vom undurchschaubaren Dschungel aus Therapien, Ärzten und Medikamenten. Eine wichtige Anlaufstelle ist für Erkrankte die Beratungsstelle der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft Wuppertal.

Denn die Krankheit mit den tausend Gesichtern, wie MS auch genannt wird, ist schwer zu erkennen und ihr Verlauf noch schwerer zu prognostizieren. In der Beratungsstelle für MS-Kranke werden Eva-Maria Diedrich und Renate Falk (Betroffenenberater der DMSG) immer immer wieder mit Schicksalen wie diesem konfrontiert. Beide Frauen sind selbst an MS erkrankt und können die quälenden Fragen und Nöte bestens nachvollziehen.

15 Jahre hat Renate Falk ihre Krankheit verheimlicht, mit der sie mittlerweile seit 34 Jahren lebt. "Aus Angst, im Beruf benachteiligt zu werden", sagt die 53-Jährige. Sie wollte Pfarrerin werden, wurde damals aufgefordert ihre Krankheit zu verleugnen. Als angestellte Theologin durfte sie arbeiten, als Pfarrerin nicht mehr. "Ich wünsche mir da mehr Offenheit", sagt sie, wohl wissend, dass Chefs in anderen Berufen weit rigoroser mit erkrankten Mitarbeitern umgehen. "Die Arbeitsstelle zu wechseln, ist oft nicht möglich", so Renate Falk.

Wie schwer die Krankheit auch mit dem Familienleben zu vereinbaren ist, davon kann Constanze Jöns (37) ein Lied singen. 24 Jahre alt war sie, als die Diagnose kam. "Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen", sagt sie. "Mir fehlt oft einfach die Kraft, mich um meine neunjährige Tochter zu kümmern", erzählt die gelernte Bürokauffrau mit leiser Stimme. Gerne würde sie mit ihrer Tochter spielen, rodeln, toben. "Es tut mir so leid, dass ich nicht so für sie da sein kann."

So schwer alle Frauen an der Krankheit zu tragen haben, so sehr versuchen sie, das Leben auszukosten. Der regelmäßige Austausch mit anderen MS-Kranken gibt allen Kraft. "Man sieht, dass man mit seinen Sorgen nicht allein ist", sagt Judith Brandt. Darum sei es so wichtig, dass die Menschen wissen, dass es die Beratungsstelle gibt.

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