Haugs Wintergarten ein Schwarzbau

Umstrittende Entscheidung: Bauaufsicht duldet ungenehmigtes Gebäude. Sachbearbeiter sah im Vorgehen Ungleichbehandlung.

Solingen. Oberbürgermeister Franz Haug nutzt seit den 80er Jahren einen massiven Wintergarten, der ohne Baugenehmigung errichtet worden ist, wie das Solinger Tageblatt berichtet. Der Anbau überschreitet zudem die Fläche, die laut Bebauungsplan auf dem Haug-Grundstück in Central-Nähe zulässig ist, nach Stadtangaben um sieben Zentimeter.

Was juristisch schwerer wiegt: Er ist zu dicht an der Grenze zum unbebauten Nachbargrundstück errichtet. Am gesetzlichen Drei-Meter-Abstand fehlen laut Stadtverwaltung 20 bis 40 Zentimeter. Damit ist eine nachträgliche Genehmigung unmöglich.

Trotzdem stellte die städtische Bauaufsicht für diesen Schwarzbau im Frühjahr 2008 eine Art "Persilschein" aus (Gründe). Eine Ermessensentscheidung zugunsten des Bauherrn, die durchaus vorkommen kann. Aber im Fall des Oberbürgermeisters ging der zuständige Sachbearbeiter wegen der Vorgehensweise auf die Barrikaden.

Doch der Reihe nach: Am 9. August 1984 stellte der Architekt, der von Familie Haug beauftragt war, den Bauantrag. Obwohl dieser nie beschieden wurde, errichtete man den Wintergarten. "Ich hatte keine Ahnung, dass irgendetwas nicht stimmen könnte", versichert Franz Haug am Samstag.

Erst 2005 habe ihn ein Anwalt auf die Abstandsprobleme und die fehlende Baugenehmigung hingewiesen. Dieser Jurist vertrat den Eigentümer des Nachbargrundstücks, der dort Garagen errichten wollte. Der Mann hatte schon eine Baugenehmigung, gegen die Familie Haug und andere jedoch erfolgreich vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht klagten. Seitdem liegt das Grundstück, an dessen Abstandsgrenze Haugs Wintergarten steht, brach.

Warum hat der Oberbürgermeister als studierter Jurist und Chef der Stadtverwaltung aber nicht sofort 2005 dafür gesorgt, dass die Bauaufsicht seinen Fall prüft? "Mein privater Anwalt - ein Verwaltungsrechtler - hat mir versichert, juristisch sei alles in Ordnung", sagt Haug. Der Bau sei ja schon über 20 Jahre alt gewesen. Außerdem habe er mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks lange über einen Kauf verhandelt - dann wäre die Abstandsverletzung irrelevant geworden.

Die Bauaufsicht diskutierte Haugs Wintergarten erst im Frühjahr 2008 im Zusammenhang mit einem anderen Fall in der Nachbarschaft. Erfreuliches Ergebnis für Haug: Am 24. April 2008 schrieb der Leiter des Stadtdienstes seinem Dienstherrn: Die Familie könne "darauf vertrauen, dass der Stadtdienst Bauaufsicht aus eigener Initiative" keine bauordnungsrechtlichen Maßnahmen ergreifen werde.Für den Wintergarten sei eine passive Duldung erteilt worden, erklärt Baudezernent Hartmut Hoferichter.

Das sei auch in anderen vergleichbaren Fällen üblich. Eine solche Duldung ändert jedoch nichts an der Rechtswidrigkeit des Bauwerks.Der zuständige Sachbearbeiter protestierte vehement gegen die Vorgehensweise. Auch der forderte nicht etwa einen Abriss, sondern schrieb in einem Aktenvermerk vom 28. April 2008: "Ich kann nicht nachvollziehen, wieso in diesem Fall so völlig abweichend von der üblichen Vorgehensweise bei ordnungsbehördlichen Verfahren vorgegangen wurde."

Der Sachbearbeiter pochte darauf, dass statt einer bloßen Anhörung das schärfere Instrument des ordnungsbehördlichen Verfahrens hätte angewendet werden müssen. Dabei wären zumindest "die entsprechenden Nachweise (Standsicherheit, Grenzabstand) beizubringen gewesen", moniert er in einem anderen Vermerk an seine Vorgesetzten in der Bauaufsicht.

Doch die Behörde hatte vor dem "Persilschein" für Haug weder die Standsicherheit des ungenehmigten Baus geprüft noch die Abstandsunterschreitung gemessen. Offenbar gestützt auf Architektenangaben, nahmen die Beamten 50 Zentimeter an; vermessen wurde aber erst Monate nach dem Brief an Haug. Der unbequeme Sachbearbeiter erhob sogar noch schwerere Vorwürfe.

Zwei direkte Vorgesetzte wiesen diese in Aktenvermerken zurück.Der Oberbürgermeister und Baudezernent Hoferichter bestritten jedoch am Donnerstagabend gegenüber dem Solinger Tageblatt, dass es die internen Vorwürfe des Sachbearbeiters, von denen die Redaktion aus zuverlässigen Quellen wusste, überhaupt gegeben habe.

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