Große Ferien in der eigenen Stadt

Tine Lowisch vom Freien Netzwerk Kultur über den Sommer im Tal.

Große Ferien in der eigenen Stadt
Foto: Claudia Scheer van Erp

Die Zeugnisse in Wuppertal sind seit vergangenem Freitag vergeben. Man bekommt leider oft die schlechtere Note, wenn man zwischen zwei Wahrheiten steht. Ich habe nie verstanden, wie dieser Umstand einen motivieren und die enttäuschende Variante einen stärken soll, für das, was kommen mag. Gut, die meisten akzeptieren einfach und nur sehr wenige wandeln ihre Verwunderung über deprimierende Erlebnisse tatsächlich in gute Taten um.

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Wuppertal

Denn gemeint ist ja, dass man es beim nächsten Mal besser machen kann, dass man sich vorher informiert, sich interessiert, sich aktiv anbietet, berät und Haltung zeigt. Und: die Sache voranbringt, nicht nur das eigene Interesse, die Übersicht behält und im Gespräch bleibt. So sollte es wohl klappen. Denn das nächste Zeugnis, dessen Grundlage die sachliche Bewertung von real erbrachter Leistung ist, idealerweise getragen von Sympathie, kommt bestimmt. Und mit ihm, wie ein tröstendes Pflaster, immer wieder auch die großen Ferien.

Das kulturelle Wuppertal steht vor seiner ersten großen Sommer-Pause, die denjenigen, denen wir vertrauen, die wir durch unsere Stimmen demokratisch legitimiert haben, viel Arbeit machen wird. Wenn dieser Sommer vorbei ist, erwarten wir Antworten auf die Fragen, die uns im Moment überrascht und irritiert zurücklassen. Und nicht nur deswegen werde ich, wie schon in den Jahren zuvor, lieber zu Hause bleiben, mich informieren, mich interessieren, mich aktiv anbieten, mit Anderen beraten und Haltung zeigen. Ich werde weiter versuchen, die Kunst und das Interesse für kulturelle Themen jedem, der fragt, zu vermitteln und auch, wenn es manchmal sehr fordernd ist, versuchen, die Übersicht zu behalten und ganz klar — mitmachen und im Gespräch bleiben. Man könnte sagen, ich erlege mir freiwillig Residenzpflicht auf. Ich bin mir sicher, ich werde viel erleben, wenig verbrauchen und gut beschäftigt sein.

Kennen Sie zum Beispiel das Original: 111 Orte in Wuppertal, die man gesehen haben muss? Da sind viele Attraktionen dabei, die ich schon sehr gut kenne. Einige Plätze und Projekte, die darin beschrieben werden, machen mich allerdings mal wieder so neugierig auf meine Stadt, dass ich Wuppertal unbedingt auch an diesen versteckteren Stellen erkunden möchte.

Glücklicherweise zeigt sich der Sommer in diesem Jahr ja einmal verlässlich und niemand ist gezwungen, ihm hinterher zu reisen. Ich werde mich hier ins bunte Leben stürzen, das in dieser Stadt zum Glück seit Jahrzehnten zu Hause ist, täglich neue Eindrücke gewinnen, von denen viele denken, dass sie sie nur auf Reisen einsammeln können. Vielleicht schaue ich mir mal die exotischen Bäume im Arboretum an, erlebe die Artenvielfalt der Tiere in unserem Grünen Zoo, besonders freue ich mich dort auf das süße Seelöwenbaby. Oder ich genieße großes Kino in einem zukunftsgestaltenden Hinterhof.

Heute gehe ich zum Beispiel mit einer persönlichen Einladung in der Tasche zu einer sehr besonderen Preview. Zu einem alten Freund in den Skulpturenpark Waldfrieden. Vielleicht werde ich in den Ferien vor dem geschlossenen Schauspielhaus, der ehemaligen Wirkungsstätte von Pina Bausch, ein wenig stadtgärtnern und Unkraut jäten. Denn aus aktuellem Anlass rechne ich im Moment fest damit, dass frische Fotos für die internationale Berichterstattung entstehen — und wie sieht das denn aus, wenn da Gras über die Sache wächst?

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