„Größtes Plus ist unser Know-how“

Bayer-Werksleiter Holger Weintritt und sein Vorgänger Klaus Jelich über den Standort Wuppertal.

„Größtes Plus ist unser Know-how“
Foto: Gerhard Bartsch

Wenn in einem Unternehmen der langjährige Chef in den Ruhestand geht und durch einen jüngeren Nachfolger ersetzt wird, geht das oft nicht ohne Nebengeräusche ab. Am Bayer-Standort Wuppertal kann man hingegen von einem nahtlosen Übergang sprechen. Am 1. April hat Holger Weintritt (48) die Leitung des Standortes von Klaus Jelich (65) übernommen, der nach mehr als 35 Jahren im Unternehmen den Ruhestand angetreten hat. Wer die beiden im Gespräch über die Zukunft des Bayer-Standortes erlebt, gewinnt schnell den Eindruck, dass es ein gut vorbereiteter und harmonischer Wechsel gewesen ist.

Klaus Jelich hat den BayerStandort in den vergangenen Jahren maßgeblich weiterentwickelt, obwohl der Raum für Investitionen in Forschungs- und Produktionsgebäude im Elberfelder Werk knapp ist. Dennoch investierte Bayer in nur wenigen Jahren rund 1,5 Milliarden Euro. Mit 3600 Mitarbeitern ist Bayer Wuppertals größter privater Arbeitgeber. Holger Weintritt will den Wachstumskurs konsequent fortführen.

Absehbar war die positive Entwicklung des Bayer-Werkes vor der Ära Jelich freilich nicht. Es gab Zweifel an einem Standort, der im Korsett der Wupper steckt und durch den alle paar Minuten die Schwebebahn schwebt. „Der Standort hatte damals einem Wiederbeschaffungswert von 1,8 Milliarden Euro. Da zieht man nicht mal eben auf die grüne Wiese. Hauptgrund, um die großen Projekte in Wuppertal zu ermöglichen, ist aber immer unser Know-how gewesen“, sagt Jelich. „Das ist die Reputation, die man sich auch im Konzern erworben hat. Ein Standort, der immer liefert, auch wenn einmal die Bedarfe an Wirkstoffen für Medikamente durch die Decke schießen“, sagt der langjährige Werksleiter, der Wuppertal als Vorsitzender des SV Bayer erhalten bleibt. Wuppertal habe bei der Vergabe von Großprojekten den Ruf, „dass wir das hinkriegen, dass man sich auf Wuppertal verlassen kann“.

Im Wettbewerb sind die Kosten nicht das alleinige Kriterium, sondern es zählen vor allem die Lieferzuverlässigkeit und Qualität. Im Vergleich zu anderen Wettbewerbern habe sich für Bayer ausgezahlt, in innovative Produkte und innovative Produktionstechnologien zu investieren, erklärt Holger Weintritt. Es sei nicht sinnvoll, an steinalten Produkten festzuhalten. Zur Erneuerung des Standortes trage bei, dass die Anlagen mit innovativen Produkten „gefüllt werden“. „Wichtig ist, sich immer wieder um neue Produkte zu bewerben und mit dem Know-how zu punkten. Wir haben eine gute Fläche und eine gute Strategie“, sagt der neue Werksleiter.

Dabei sei das Potenzial des Standorts Elberfeld noch nicht ausgereizt. „Es gibt Limits, aber wir haben am östlichen Ende des Geländes noch ein paar Gebäude, die wir abreißen könnten. Wir reden auch über die Fläche des Kohlekraftwerkes. Dieses Thema ist aber noch weiter weg. Wir werden kein riesiges Chemiewerk mehr bauen, doch wir können hier durchaus noch etwas ersetzen“, sagt Klaus Jelich. Bayer habe einen Masterplan für Elberfeld und Aprath erstellt.

Der Name Bayer locke Bewerber aus ganz Deutschland und anderen Ländern an. „Wir haben eine gute Firmenkultur und eine extrem gute Ausbildung und Fortbildung. Gute Leute ziehen gute Leute nach sich. Diese personelle Entwicklung hätten wir uns vor zehn 15 Jahren nicht träumen lassen“, blickt Jelich zurück. „Das Unternehmen hat eine sehr gute Reputation in Biotechnologie, Forschung und Entwicklung. Gerade für viele junge Menschen ist der Sinn ihrer Arbeit sehr wichtig. Wir arbeiten für Ernährung und Gesundheit. Als Weltkonzern bieten wir zudem enorme Personalentwicklungsmöglichkeiten“, sagt Weintritt.

Die Folgen der Digitalisierung fürchten beide nicht, im Gegenteil, sie sehen darin eine Chance. „Für die Digitalisierung werden wir neue Fachleute brauchen. Im Bereich Data und Data-Management müssen wir noch stärker werden. Die Digitalisierung ist daher kein Jobkiller. Ich sehe die Digitalisierung viel mehr als Möglichkeit, in anderen Bereichen noch besser und kundennäher zu werden“, so die Einschätzung von Holger Weintritt. Klaus Jelich erlebt die Digitalisierung nicht als Revolution, sondern als Evolution: „Der Grad der Vernetzung nimmt zu. Wir haben Projekte mit Mathematikern gemacht und bei der Analyse eine Unmenge von Korrelationen entdeckt, auf die wir so gar nicht gekommen wären. Ich glaube, da kann man noch mehr machen. Die Tendenz geht schon dahin, dass die Jobs immer anspruchsvoller werden, aber auch die einfacheren Tätigkeiten sterben nicht alle aus.“

Der alte und auch der neue Bayer-Chef sind zuversichtlich, dass in Zukunft innovative Produkte in Wuppertal entwickelt werden. Wichtig sei es daher, im internen Wettberwerb zu punkten. „Verschiedene Bayer-Standorte üben verschiedene Rollen aus. Es gibt Dinge, da wissen wir, das passt zu unserer Rolle, da werfen wir unseren Hut in den Ring. Man muss aber auch akzeptieren, dass es mal nicht so gut passt und sich für einen anderen Standort freuen“, erläutert Holger Weintritt. Klaus Jelich betont, dass die riesigen Investitionen erst nach intensiven Prüfungen getätigt würden. „Die Entscheidungen werden nicht allein in Wuppertal getroffen. Wichtig ist aber zunächst einmal, dass wir von einem Produkt überzeugt sind.“

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