Gewalt: Die Angst der Lehrer

Wie sich angehende Lehrer und Lehrerinnen ganz freiwillig auf den rauen Berufsalltag vorbereiten.

Wuppertal. Ein Schüler ist neu an der Schule. Seit zwei Tagen versucht er sich einzugewöhnen. Einem anderen Schüler verlangt, dass sich der Neue unterordnet. Es kommt zum Streit, dann geht alles sehr schnell: Als der Lehrer das Klassenzimmer verlässt, liegt der Klassenneuling schon am Boden. Die Fäuste fliegen und heftige Beschimpfungen folgen.

"Das ist eine Situation, die sie erleben werden. Das kann ich ihnen versichern", sagt Malte Roß. Er ist Lehrer an der Hauptschule Hügelstraße und betreute am Wochenende an der Bergischen Universität den Workshop "Gewalt an Schulen" (siehe Kasten).

Den inszenierten Streit erlebt er häufig an seiner Schule. "Die Situationen, die wir hier nachstellen, sind absolut typisch", erklärt er den angehenden Lehrern. Damit will er den Studenten, die bald in den Lehrberuf wechseln wollen, keine Angst machen. Viele fürchten sich trotzdem. Sarah Schneider gibt das auch zu: "Angst vor Gewalt im Schulalltag hat jeder. Während des Studiums wird man darauf ja überhaupt nicht vorbereitet", sagt die 23-Jährige.

Besonders weil solche Rollenspiele beim Studium an der Bergischen Universität keinen Platz finden, hat Kurt Erlemann den zweitägigen Workshop ins Leben gerufen. Erlemann ist Professor der evangelischen Theologie und kennt die Ängste seiner Studenten: "Es heißt immer, die Studenten würden nicht ausreichend auf die praktischen Probleme an den Schulen vorbereitet. Das wollen wir in dem Workshop ändern."

Lob für die Studenten gab es dabei von den teilnehmenden Schülern der Hauptschule Hügelstraße. "Ich habe richtig Angst bekommen, deswegen habe ich aufgehört", sagt ein Schüler, nachdem Student Christian Julius einen gespielten Streit frühzeitig beendet. Ein solch energisches Auftreten bringt er auch den Grundschülern bei, die er schon während seines Studiums in einer Selbstverteidigungs-AG betreut. Trotz dieses Erfahrungsvorsprungs macht auch er sich Gedanken über die Gewalt an Schulen: "Ich habe keine Angst, dass mir etwas passieren könnte. Aber einer Situation nicht Herr werden zu können, das macht mir Sorgen", sagt der 23-Jährige.

Zerstreuen können die Schüler der Hauptschule die Ängste der Studenten nicht. Im Gegenteil: Gewalt gehört zu ihrem Alltag, daraus machen sie keinen Hehl. Hauptschülerin Slava Suleiman: "Das kommt nicht jeden Tag vor, aber jeden zweiten."

Die 18-Jährige kritisiert dabei auch die Rolle der Lehrer. Oft seien die zu passiv. Deshalb ist sie mit ihrer Schwester Stera den Streitschlichtern beigetreten. Mit anderen Schülern wollen sie dazu beitragen, dass Konflikte an ihrer Schule friedlich ausgetragen werden. Das klappt nicht immer, "aber wenn es zu Gewalt kommt, gehen wir dazwischen. Es gibt an allen Schulen Lehrer, die das nicht sofort machen", erklärt Stera Suleiman.

Die Studenten im Workshop haben in ihren Augen aber alles richtig gemacht: "Die können alle Lehrer werden."

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