„Frieden fängt im Alltag an“

Von Tanja Heil

„Frieden ist kein moralischer Anspruch — Frieden ist Alltag, Konsumverhalten, das, was große Institutionen vorleben“, betonte Andrés Ginestet. Der Künstler hat sich viele Jahre lang philosophisch mit den Voraussetzungen für Frieden beschäftigt und wurde deshalb schließlich zu großen Friedensberatungen hinzugezogen. „Ich habe in der Nato mit der Ukraine verhandelt“, erzählt der ganz in Weiß gekleidete Friedensmittler im Wichlinghauser Stadtteilzentrum Wiki und lässt viele bekannte und unbekannte Namen fallen, mit denen er zusammengearbeitet habe.

Im Nebenraum hat Ginestet Fotos, Visitenkarten und Dokumente als Beweis ausgebreitet. Bei fast allen großen Konflikten dieser Welt habe er mit am Tisch gesessen, sagt er. Deshalb habe er sich irgendwann verfolgt gefühlt: „Friedensvermittler leben gefährlich — es geht um Milliardengeschäfte.“

Um den geheimnisvollen Verfolgern zu entkommen, sei er 2013 nach Wuppertal gezogen — aber immer noch im Umzug begriffen. Trotzdem habe er seine Skulptur schon ausgepackt: Ginestet zeigt eine Anordnung von vier Männern, die den Islam, das Judentum und das Christentum darstellen soll.

Dann stellt Ginestet sein Buch „Pax“ vor, das es bisher nur auf Spanisch zu kaufen gibt. Fast 20 Jahre lang habe er daran geschrieben, es vor fünf Jahren dann auf den Markt gebracht. Für eine deutsche Ausgabe sucht er noch einen Verlag. „Dieses Buch ist in Kolumbien die Grundlage für die Friedensverhandlungen zwischen der Farc und der Regierung“, behauptet Ginestet. Für die zwei Dutzend Zuhörer im Wiki hat er sich die „freundlichen Kapitel“ ausgesucht, in denen es nicht um Gewalt gehe.

„Frieden und Nachhaltigkeit sind sehr eng verwoben“, betont der Künstler, der in druckreifen Sätzen spricht. Als Beispiel nennt er die Mütter, die jeden Tag ihre Kinder in die Schule fahren. Der Sprit, den sie dafür benötigen, sorge in ölfördernden Ländern für Konflikte. Gleichzeitig seien 213 Arbeitsstunden im Jahr nur dafür nötig, das Auto zu finanzieren, rechnet Ginestet vor.

Diese Zeit sei besser verwendet, wenn die Eltern sich stattdessen mit den Kindern beschäftigen würden. Und der menschliche Körper sei schließlich dafür gemacht, 20 Kilometer am Tag zu laufen. „Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren, verursachen direkt den Krieg in Syrien“, warnt er plakativ.

Gleichermaßen schimpft Ginestet auf Plastikverpackungen, die wiederum aus Öl hergestellt werden. Die deutschen Hygienegesetze, die solche Verpackung fordern, seien „strukturelle Gewalt“. Alle Bürger sollten Arbeitsgruppen bilden und solche Verhaltensweisen ändern, fordert der spanisch-deutsche Künstler.

Dann macht er auf den Zusammenhang zwischen erlebter Gewalt und Krankheiten aufmerksam. In Kambodscha etwa hätten Wissenschaftler festgestellt, dass nach dem Genozid auffällig viele Menschen Diabetes 2 bekamen. Per Epigenetik könnten solche Zusammenhänge festgestellt und geheilt werden, sagt Ginestet. Er hält die Epigenetik für ein Allheilmittel vieler Probleme. Wie das konkret funktionieren soll, verrät er nicht. Da verweist er auf Wissenschaftler.

Überhaupt weicht Ginestet in der anschließenden Diskussionsrunde aus: Auf jede Frage zu konkreten Problemen antwortet er: „Da müsste erst noch ein weiteres Buch darüber geschrieben werden.“ Er bleibt lieber im Ungefähren und warnt vor einer Verschwörung von Industrie und Politikern gegen den einfachen Menschen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort