Filigrane Klänge im Busbetriebshof

Das Sinfonieorchester lud im Rahmen der „Uptown Classics“ in die Halle der WSW in der Varresbeck ein.

Filigrane Klänge im Busbetriebshof
Foto: Stefan Fries

Die Sonne schien, die Temperaturen weckten Frühlingsgefühle, also Ausflugswetter im besten Sinn am Samstag nach der langen klimatischen Tristesse. Manche gaben aber in ihr Navi „Deutscher Ring 10“ ein. Man konnte auch mit der Buslinie 611 den Ort des Geschehens erreichen. Nein, es wurden keine Nobelkarossen bewundert, die nebenan feilgeboten werden. Es ging ein wenig weiter die Straße hoch und dann nach rechts. Hier haben die Wuppertaler Stadtwerke eine Dependance, „Busbetriebshof Varresbeck“ heißt das Ziel.

Man wurde durch eine unscheinbare Türe gelotst. Dann ging es einen langen Flur entlang und hinauf in die nächste Etage. Eine riesige, so gut wie ausgeräumte Halle erwartete einen. Links an der Seite befan-den sich wie an einer Schnur aufgezogen zig Hebeböcke. Rechts waren zwei Busse der Stadtwerke geparkt. Dort, wo sonst eigentlich öffentliche Großraumtaxis stehen müssten, war gähnende Leere — nicht ganz. Erst auf den zweiten Blick nahm man ganz vorne Stühle wahr. Die etwa 200 Stück und der kleine Musikerbereich davor wirkten von hinten wie ein kleiner Punkt im riesigen weiten Rund.

Unkonventionelle Orte entdeckt das Sinfonieorchester Wuppertal in dieser Spielzeit für sich. Es will damit Leute anlocken, die Berührungsängste mit der Stadthalle haben, seine hauptsächliche Wirkungsstätte. Nicht allzu lange dauern die Veranstaltungen, die unter dem Titel „Uptown Classics“ stehen. Und nicht mehr als 20 bis 30 Musiker sind daran beteiligt, um leicht verständliche Musik für kleine Orchester zu präsentieren. Dafür brauchen die Sinfoniker nicht immer einen Dirigenten.

So lag dieses Mal die musikalische Verantwortung in den Händen von Yusuke Hayashi. Er ist seit dieser Saison neuer erster Konzertmeister. Ohne irgend ein Aufheben um seine Person zu machen, setzte er sich an das erste Geigenpult und sorgte mit seiner Körpersprache dafür, dass Georg Friedrich Händels viertes Concerto grosso in F-Dur aus Opus 3 klangvoll zu vernehmen war. Geschmackvoll, fein phrasiert und schwungvoll in den schnellen Abschnitten spielten die Sinfoniker diese barocke Musik. Auch bei der abschließenden Sonate Nr. 6 in D-Dur (RV 1610), auch „La Tempesta“ (der Sturm) genannt, von Gioachino Rossini saß Hayashi neben seinen Kollegen. Genauso fest im Zugriff und nuanciert erklang auch dieses Werk.

Sehr sensibel und adäquat unaufdringlich begleitete ihn das Kammerorchester bei Arvo Pärts „Fratres“ für Violine, Streichorchester und Schlagzeug. So konnte der musikalische Primus Inter Pares seine anspruchsvollen Solopassagen mustergültig in aller Ruhe hochmusikalisch gestalten. Ebenfalls stehend gab er seine klaren musikalischen Anweisungen bei Johann Sebastian Bachs Violinkonzert in d-Moll (BWV 1052), rekonstruiert nach der Cembalofassung. Frisch, kultiviert und genauso aufmerksam wie bei Pärt spielten auch hier die städtischen Musiker auf.

Brillant ließ Hayashi seinen hochvirtuosen freien Lauf und beeindruckte mit großen musikalischen Spannungsbögen. Lang anhaltende, stehende Ovationen waren der verdiente Dank für ein knappes Stündchen genussreicher Musik.

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