Feierstunde für Karl Otto Mühl

Bergische Universität würdigt den Schriftsteller zu seinem 95. Geburtstag. Er lernte sein Handwerk unter anderem in der Kriegsgefangenschaft.

Feierstunde für Karl Otto Mühl
Foto: Andreas Fischer

Wer als Schriftsteller 95 Jahre alt wird, bei dem kann die Feierstunde mit Freunden, Wegbegleitern und Gratulanten schon mal etwas länger dauern. So war es jedenfalls am Freitagabend bei der Feierstunde für Karl Otto Mühl im Gästehaus der Bergischen Universität. Fast zwei Stunden lang dauerten die Ehrungen und Würdigungen für den Schriftsteller und Dramatiker, der bereits am 16. Februar Geburtstag hatte. In der ersten Reihe sitzend nahm der Schriftsteller die warmen Worte entgegen. Begleitet wurde er dabei von seiner Gattin Doris, zweien seiner Töchter und seinem Enkel Titus.

Gut ein Dutzend Redner würdigte die schriftstellerischen Leistungen des gebürtigen Nürnbergers, der 1929 mit seiner Familie nach Wuppertal gezogen war. Mühl sei zum „Geburtstag“ der Stadt Wuppertal hierhin gekommen, sagte Oberbürgermeister Andreas Mucke. Er erzähle in seinen Theaterstücken, Romanen, Gedichten und Hörspielen „von Menschen, die wir alle kennen“ und mache Probleme des privaten oder beruflichen Alltags zum Thema. Dabei folge Mühl dem Motto, dass man die ganze Welt in einem Menschen entdecken könne. Beeindruckend sei zudem, dass Mühl seine schriftstellerische Arbeit quasi im Nebenerwerb erledigt habe, betonte Mucke.

Karl Otto Mühl war als Sachbearbeiter, Verkaufs- oder Exportleiter bei dem Unternehmen Stocko beschäftigt gewesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg - Ende der 1940er Jahre - hatte Mühle seine schriftstellerische Tätigkeit mit Aufnahme der Arbeit eingestellt, erst ab 1964 begann er wieder, in seiner Freizeit literarische Texte zu verfassen. Der Durchbruch gelang ihm dann 1974 mit dem Theaterstück „Rheinpromenade“. Dabei hatte Mühl schon in den 1930er Jahren mit dem Schreiben in der Wuppertaler Lokalpresse begonnen.

Während des Zweiten Weltkrieges geriet er in Afrika in Kriegsgefangenschaft, schrieb und inszenierte in den Lagern Theaterstücke. In einem Kriegsgefangenenlager in den USA lernte er dann sogar Tankred Dorst kennen, mit dem er einige Jahre später in Wuppertal die Künstlergruppe „Der Turm“ gründete.

Als „Typ“, als eine „irgendwie auffallende Persönlichkeit“ würdigte der Wuppertaler Germanist Andreas Meier den gebürtigen Franken. In seinem „Alltagsrealismus“ sei Mühl quasi die rheinische Antwort auf Franz Xaver Kroetz, erklärte Meier. Die Arbeitsweise des Geburtstagskindes skizzierte er dann mit dem Verweis auf die Skatrunde, in der Meier den Schriftsteller Mühl kennengelernt hatte. Mühl sei sehr erfolgreich darin gewesen, die „kleinen Spiele“ im Skat zu gewinnen. Vor allem das Nullspiel - also das Spiel, bei dem derjenige gewinnt, der keine Stiche macht - habe dem Schriftsteller gelegen. Dieser Hang zur Zurückhaltung und Beobachtung kennzeichne auch die literarische Arbeit Mühls.

Dem stimmte auch Mühl in seinen Dankesworten für die Anwesenden zu. Er selbst neige nicht zur „Selbstüberschätzung“ und wisse, dass es viele gebe, die besser schreiben könnten als er. Er sei dennoch dankbar, dass er sich auf diese Art und Weise habe mitteilen können. Das Wichtigste sei, dass man sich anderen Menschen zuwende und die Verbindung zu ihnen suche. Er sei froh, dass er das auch im hohen Alter noch erleben dürfe und ihn „die Flamme des Lebens“ noch nicht verlassen habe.

Doch nicht nur in Reden, auch in künstlerischen Beiträgen wurde das Geburtstagskind geehrt. So trugen der Tenor Torsten Krug und der Pianist Stefan Leibold unter anderem Lieder von Schubert und Purcell vor. Und von den Wuppertaler Bühnen waren Lena Voigt und Thomas Braus vertreten: Sie lasen vier Szenen aus dem Stück „Wanderlust“, in dem von einem Pärchen erzählt wird, das sich zwar sympathisch ist, aber irgendwie dann doch nicht so richtig zusammenkommt.

Einmal mehr zeigte dabei das Leben, welchen Sinn für Satire es hat. Kurz bevor Braus den letzten Satz sagen konnte, wurde er von einem Verantwortlichen des Campus Freudenberg jäh aus dem Vortrag gerissen. Da stünden drei Autos in der Einfahrt, erklärte der Mann. So viel Realismus konnte einem Schriftsteller vom Schlage Karl Otto Mühls vermutlich nur recht sein.

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