Erinnerung an die Bunkerzeit

Auch Kurt Leimbach hat sich ein Bild vom veränderten Platz der Republik gemacht – und kennt den einstigen Bunker noch aus Kriegszeiten.

Wuppertal. Ein Winternachmittag in Elberfeld, die Sonne scheint - und auf dem Platz der Republik, wo einst der Hochbunker aus Beton stand, spielen ein paar Jungs aus der Nachbarschaft Fußball. "Das sieht gut aus", sagt Kurt Leimbach, rückt sich die Schirmmütze zurecht und blickt über die Spielplatzzäune auf eine weite Fläche. "Als wir hier draußen Fußball gespielt haben, war auf der Bunkerbaustelle unter uns gewachsener Fels", erinnert sich der 78-Jährige, der jetzt im Zooviertel wohnt.

Das war nicht immer so: 1937 zog er als kleiner Junge mit seinen Eltern und seinem Bruder in das Haus mit der Adresse Exerzierplatz 5 - und erlebte Jahre später dort die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs. Manche Stunde hat er damals in jenem Bunker verbracht, der nach dem Abriss und der Platz-Umgestaltung nun Geschichte ist.

In die 1. Hausetage zog die Familie damals ein. "Von dort aus blickten wir später direkt auf den Bunker." Kurt Leimbach erinnert sich noch gut an die Bauarbeiten, bei denen im Jahr 1942 französische Kriegsgefangene eingesetzt wurden. "Für uns war die Baustelle ein großer Spielplatz", erinnert sich der Wuppertaler.

Man kletterte durch aufgestapelte Schalbretter, spielte auf dem Bauplatz Schlagball - und ahnte nicht, wie bedeutsam das alles noch werden würde. Mit den Gefangenen zu sprechen, war streng verboten - und auch war es untersagt, von einer militärischen Einrichtung dieser Art Fotos zu machen. So nahm er mehr und mehr Form an, der riesenhafte Betonklotz.

Am 29. Mai 1943 wurde auf einen Schlag alles anders. "Den Angriff auf Barmen erlebte ich noch im Keller unseres Hauses", erinnert sich Kurt Leimbach. "So intensiv und beängstigend wie keinen anderen mehr. Danach sind wir bei jedem Alarm in den Bunker gegangen." Beim Barmer Angriff wurden fast 4000 Häuser zerstört und mehr als 3000 Menschen getötet. Die Stadt brannte.

Am Tag darauf gehörte auch Kurt Leimbach zu jenen Kindern und Jugendlichen, die zum Aufräumen nach Barmen gebracht wurden. Tote habe er damals nicht zu sehen bekommen - "glücklicherweise." Am Alten Markt setzte sich der Junge ab, um nach seiner Tante auf dem Sedansberg zu sehen. "Niemand hat gelöscht. Die Menschen waren ganz damit beschäftigt, ihre Sachen aus den Häusern zu retten."

Sirenen-Alarm, Trümmer und Angst bestimmten in den kommenden Wochen und Monaten auch das Leben am damaligen Exerzierplatz. "Der Bunker war ja noch immer eine Baustelle, aber nutzbar." Manchmal blieb es bei einem Flieger-Alarm in der Nacht, manchmal waren es drei oder vier. Und jedesmal ging es durch die Korridore in die Schutzkammern.

Als im Sommer 1943 auch Elberfeld zum Ziel der Alliierten wurde, hatten die Menschen im Bunker Glück im Unglück. Eine Fliegerbombe traf das Gebäude, schlug auf der Außenkante auf und blieb neben dem Koloss als Blindgänger liegen.

Nachdem die Bombe entschärft war, kletterten die Jungs und Mädchen beim Spielen hinauf. "Wir Kinder waren in dieser Hinsicht unbedarft." Und auch das Trümmer-Meer in der Nachbarschaft gehörte zum Alltag. Im Wohnhaus der Familie selbst blieb es nach dem Elberfelder Angriff bei zerbrochenen Fenstern und aus den Angeln gehobenen Türen. "Auch das war unser Glück."

Kurt Leimbach erinnert sich an die Nächte, in denen es niemals richtig dunkel wurde - als auch Köln und Essen brannten. "Den Widerschein sahen wir am Himmel." Den Krieg hat Kurt Leimbach hinter sich gelassen. Die Erinnerungen nicht - auch wenn er beim Treffen auf dem Platz der Republik alles sehr gefasst erzählt. "Wer die Bombennächte erlebt hat, der hofft, dass sich das niemals wiederholt."

Noch immer spielen die Jungs auf dem neuen Spielfeld Fußball - und ein Lächeln huscht über Kurt Leimbachs Mundwinkel. Einen Moment lang.

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