Tschnernobyl-Folgen Erholung für Viktor und Valery

Die beiden Brüder tanken wie 20 weitere Mädchen und Jungen aus Weißrussland bei Wuppertaler Familien Kraft.

Wuppertal. Was Viktor hier am besten gefällt? Da kann sich der Zwölfjährige gar nicht entscheiden. „Würstchen und alles Gegrillte“, weiß Nachbarin und Übersetzerin Olga Schneider. Und Gastmutter Christiane Djuric ergänzt: „Die Kinder sind für alles sehr dankbar.“ Die Familie Djuric hat derzeit Viktor und seinen kleinen Bruder Valery (7) aus Weißrussland zu Gast. Und hat die beiden längst ins Herz geschlossen: „Sie gehören schon zur Familie“, sagt Christiane Djuric.

Viktor ist schon das dritte Mal bei ihnen. Vor dem ersten Mal hatte Olga Schneider, die sich seit Jahren im Verein „Wuppertaler Hilfe für Tschernobyl“ engagiert, der Nachbarin erzählt, dass noch eine weitere Gastfamilie gesucht wird.

Der Verein vermittelt Erholungsaufenthalte für Kinder aus der Region um Leltschizy in Weißrussland, einem sehr armen Landstrich an der Grenze zur Ukraine, der seit der Tschernobyl-Katastrophe noch mehr vernachlässigt ist. Vier Wochen ohne Strahlenbelastung lässt die Kinder aufleben.Die Reise weckt auch oft den Lerneifer der Kinder, was ihre Chancen für ihr künftiges Leben verbessert.

Zudem bringt der Verein regelmäßig Hilfsgüter in die Region. Bei einem dieser Besuche wandte sich eine taubstumme Mutter an Vereinsgründerin Angela Dicke. Die siebenköpfige Familie hat es nicht leicht, weil nur der Vater als Melker Geld verdient. Die Mutter fragte, ob eins ihrer Kinder auch mal nach Deutschland darf. Nach Rücksprache mit den Lehrern vor Ort kam Viktor mit auf die Liste. Und nachdem Familie Djuric davon erfuhr, war schnell beschlossen: Viktor kann kommen.

„Er ist ein ganz lieber Junge“, sagt Christiane Djuric. Sie hätten sofort gemerkt, dass er gut in die Familie passt, denn er ist zwei Jahre jünger als Tom (14) und drei Jahre älter als Jan (9), die Söhne der Familie. Die beiden kamen auch schnell klar mit dem Gast: „Ich habe nur ,Football’ gesagt, dann haben wir sofort gespielt“, erzählt Tom.

In diesem Jahr ist Valery dabei. „Er ist neugieriger als sein zurückhaltender Bruder“, haben die Djurics festgestellt. „Was er gern isst, müssen wir aber noch herausfinden“, sagt Christiane Djuric. Gemerkt haben sie aber: Obst gehört dazu.

Die Jungen spielen gern Fußball, hüpfen auf dem Trampolin im Garten oder fahren Rad. Tagsüber werden Viktor und Valery beim CVJM Bundeshöhe betreut. Jeden zweiten Tag machen sie Ausflüge in der Gruppe. Die Djurics wollen mit ihnen noch zum Ketteler Hof, vielleicht nach Müngsten und zu Schloss Burg. „Es ist schön, so direkt helfen zu können“, sagt Christiane Djuric. „Man bekommt direkt ein Feedback“, ergänzt ihr Mann.

Die Dankbarkeit der Menschen in Weißrussland berührt auch Angela Dicke immer wieder, wenn sie vor Ort ist. Ostern fuhr sie zum 24. Mal in einem der vier Lkw mit, die insgesamt 45 Tonnen Hilfsgüter transportierten, quälte sich mit durch Grenzformalitäten und Zollkontrollen.

Sie brachten Lebensmittel, Spielzeug und Fahrräder, Elektrobetten, Matratzen und Stühle, Medikamente und Verbrauchsmaterial für das Krankenhaus und Arztpraxen. Für die Schulen hatten sie Schreibmaterial dabei und kleine Toiletten für den Kindergarten.

Kinderheimen, Schulen und Kindergärten gehe es durch die Hilfe aus Deutschland inzwischen „einigermaßen“, sagt Angela Dicke. Aber die Familien seien immer noch bitterarm.

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