„Er opferte alles für seine Überzeugung“

Szenische Lesung zu Marx mit Konsumgenossenschaft und VHS.

„Er opferte alles für seine Überzeugung“
Foto: Stefan Fries

Eleanor: „Liebste Mama, warum nur hast du diesen Mann geheiratet, der dir so viel Kummer gebracht hat? Als Ballkönigin von Trier hättest Du doch eine gute Partie machen können.“ So lautet der Beginn eines fiktiven Gespräches zwischen Tochter und Mutter — denn im Hause Marx sprach man nicht über so intime Dinge und besonders nicht über die bittere Armut, die viele Jahre lang herrschte. Das erklärt die Antwort von Mutter Jenny: „Ach Kind, ich habe ihn geliebt, solange ich denken kann. Und so schwer unser Leben auch war, in Herz und Geist war es doch reich. Außerdem: Wir wollten beide, dass Not und Armut für immer verschwinden.“

In einem bewegenden Dialog zwischen den beiden Frauen, die Karl Marx so lange Jahre lang begleiteten und ihn entscheidend unterstützten, gaben die Mitglieder des Berliner „Kalliope Team“ einen ungewohnten Einblick in das Privatleben der Familie. Der Förderverein Konsumgenossenschaft Vorwärts Münzstraße und die Bergische VHS hatten zu der szenischen Lesung „Jenny und Eleanor Marx. Zwei Frauen im Schatten eines Genies. Ein fiktives Gespräch zwischen Mutter und Tochter“ anlässlich des 200. Geburtstages von Karl Marx geladen.

Musikalisch von Petra Patzer an der Gitarre begleitet, stellte die literarische Hommage das Leben und Wirken der zwei Frauen in den Vordergrund. Mutter Jenny (Gisela M. Gulu), eine geborene von Westphalen, ertrug bittere Armut, Leben im Exil (Paris, Brüssel, London) und Vertreibung und wankte doch nicht in ihrer Überzeugung. Vier ihrer sieben Kinder verlor die Familie im Elendsviertel in Soho, das Geld für die Särge musste erbettelt werden. Den Tod ihres geliebten Sohnes „Musch“ überwanden beide nicht. „Marx wurde mit 37 Jahren über Nacht weiß.“

Ohne den Rückhalt und die Unterstützung seiner Frau und der jüngsten Tochter Eleanor (Valeska Hegewald) hätte Marx nicht der sein können als der er sich sah: Kämpfer für das Glück der Menschheit, weniger für das seiner Familie. Doch das beirrte Jenny nicht. „Er opferte alles für seine Überzeugung, wie hätte er da für uns sorgen können?“ Sie tippte seitenlange Manuskripte für Zeitungsartikel und das Manifest ab und ermöglichte so die Veröffentlichung und die Grundlage zu seinem epochalem Ruhm.

Überlebt hat die Familie durch die oft lebensrettenden Unterstützung von Friedrich Engels. „Was diese Frau getan hat, wissen nur die, die mit ihr lebten“ seine Worte 1881 am Grab von Jenny Marx. Eleanor nahm sich am 1. April 1898 mit 43 Jahren das Leben.

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