Begrabt mein Herz in Wuppertal Eine Paketbotin wie Scarlett Johansson

WZ-Kolumnist Uwe Becker hatte bislang nur Glück mit den Zustellern.

Begrabt mein Herz in Wuppertal: Eine Paketbotin wie Scarlett Johansson
Foto: Joachim Schmitz

Wuppertal. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis summieren sich seit einiger Zeit die Beschwerden über Paketzusteller. Der Hauptvorwurf: Die Zusteller klingeln nicht, sondern werfen direkt eine Paketkarte in den Briefkasten. In der Regel wohnen die Betroffenen in der 3. oder 4. Etage, und sie vermuten, die Boten sind zu faul, die Pakete die Treppen hochzutragen. Ich habe allerdings in den letzten 25 Jahren, in denen ich in Elberfeld gewohnt habe, ausschließlich positive Erfahrungen mit Paketboten gemacht. Abholkarten lagen nur im Briefkasten, wenn ich oder einer meiner Nachbarn auch wirklich nicht zuhause waren. Oder hatte ich einfach immer nur Glück mit meinen Paketzustellern?

Außerordentlichen Dussel hatte ich mit einem DHL-Boten der Deutschen Post, in dessen Bezirk ich von 1999 bis 2010 wohnen durfte. Ein kleiner, schmächtiger Mann, etwas jünger als ich, immer gut frisiert und mit einem ständigen Lächeln im Gesicht. Eine Frohnatur - bei Sonne, Regen oder Schnee. „Hallo Herr Becker, ich habe da ein größeres Paket für Sie!“ rief er aus dem Seitenfenster seines großen gelben Autos, als ich auf dem Weg zur Bäckerei war. „Wann sind Sie wieder daheim? Ich richte mich da gerne nach Ihnen!“

In Sommermonaten, wenn die Hitze unerträglich war, trug er gut gelaunt und pfeifend die schwersten Pakete zu mir hoch in die 4. Etage. Erfrischende Kaltgetränke lehnte er mit dem Hinweis ab, er müsse weiter, trinken könne er am Abend, dabei zwinkerte er mir zu und sprang wie ein junges Reh die Treppe herunter. Dieser Paketzusteller war nicht nur zuverlässig, fleißig, schnell und gewissenhaft, er hatte auch, wie man so sagt, den Schalk im Nacken.

Ich traf ihn einmal auf der Straße, sein Gesicht war ernst und er sagte traurig: „Herr Becker, es tut mir sehr leid, ich habe heute kein Paket für Sie!“ „Ich habe ja auch nix bestellt!“ „Daran wird es liegen!“ meinte er, lächelte und hastete mit zwei schweren Paketen zur nächsten Haustüre.

Oft lieferte er noch nach 20 Uhr aus, weil viele seiner Kunden dann erst von der Arbeit zurück waren. „Sie müssen ja nicht extra zur Post und sich dort Ihr Paket abholen, ich bin da flexibel.“ Dieser Mann war keiner von den Boten, die gar nicht erst klingeln und direkt eine Paketkarte hinterlegen, dieser Zusteller klingelte sogar, wenn er ganz sicher wusste, dass niemand daheim war. Einfach aus Respekt vor seinen Kunden.

Als ich dann später aus meiner Wohnung auszog und schwere Umzugskartons in den Transporter packte, war er sofort zu Stelle, half mir bei der Waschmaschine und schleppte auch noch drei, vier Bücherkartons zum Auto. Als ich in meiner neuen Wohnung die erste Paketzustellung erwartete, war ich schon sehr gespannt. Und ich sollte nicht enttäuscht werden.

Es war Vormittag, als es klingelte, ich öffnete meine Etagentüre, und da stand sie im frisch renovierten Treppenhaus vor mir, mit einem kleinen Paket - ich hatte eine CD-Box von Igor Strawinsky bestellt - in ihren zierlichen Händen. Meine erste DHL-Botin! Und sie sah aus wie Scarlett Johansson. Ich habe in den folgenden Wochen dann sehr viel bestellt. Scarlett hat immer geklingelt, und ich war auch immer da. Ich weiß nicht, ob es einfach nur Glück ist, dass ich bei Paketzustellungen noch nie schlechte Erfahrungen gemacht habe. Vielleicht fühlen sich zuverlässige, attraktive PaketzustellerInnen von mir einfach magisch angezogen.

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