Ein Wuppertaler als Diplomat in Nordkorea

Gerald Wolf (58) erzählt über seinen Job in der deutschen Botschaft in Pjöngjang und das Leben in dem abgeschotteten Land.

Ein Wuppertaler als Diplomat in Nordkorea
Foto: Gerald Wolf

Gerald Wolf ist auf Heimatbesuch in Wuppertal. Der Blick aus dem Fenster der WZ-Redaktion bietet einen scharfen Kontrast zu dem, was der 58-Jährige sonst in der Stadt sieht, in der er arbeitet. Keine überlebensgroßen Statuen des Staatsoberhauptes, keine riesigen Mosaikwände, keine Parolen an jeder Ecke. Wenn in seinem Bekanntenkreis über Jobs gesprochen wird, dürfte Wolf, was den Exotengrad angeht, sicher ganz vorne liegen. Arbeitet er doch in einem echten Schurkenstaat — jedenfalls wenn es nach Meinung von US-Präsident Donald Trump geht. Seit August 2015 lebt der gebürtige Wuppertaler in der deutschen Botschaft in Pjöngjang.

Ein Wuppertaler als Diplomat in Nordkorea
Foto: Gerald Wolf

Nordkorea ist beileibe nicht die erste Auslandsstation für Wolf, aber sicher eine besondere. Albanien, Estland, London und Turkmenistan — der Diplomat zählt ein paar seiner Destinationen auf. Doch Nordkorea, das sei schon irgendwie anders. „Aber spannend.“

Ein Wuppertaler als Diplomat in Nordkorea
Foto: Andreas Fischer

Gerald Wolf über die westliche Berichterstattung über den Nordkorea-USA-Konflikt

Ein Wunschziel? Wolf lächelt. Normal seien drei Jahre pro Land. „Dann gehen Vakanzenlisten herum, wo Stellen zu besetzen sind. Pjöngjang stand drauf und ich fand es interessant.“ Seine erste Auslandsstation war 1992 passenderweise Südkorea. Dass er mal auf der „anderen Seite“ landen würde, „war damals undenkbar“, erinnert er sich. Diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Nordkorea bestanden zu diesem Zeitpunkt schlichtweg nicht. Eine Art bundesdeutsche Vertretung war unter dem Dach der schwedischen Botschaft untergebracht — bis 2001 beide Länder dann doch diplomatische Beziehungen aufnahmen.

Politische Beobachtung und Analyse sind seine Tätigkeitsfelder. Normalerweise gehören dazu auch die Bereiche Kultur und Wirtschaft. „Da fällt hier aber wenig an“, sagt Wolf. Folgen der massiven Sanktionen gegen das Land wegen seiner Atompolitik. Gerade in den vergangenen Monaten sorgte Nordkorea für noch mehr Schlagzeilen als sonst. Der Schlagabtausch zwischen Trump und Nordkoreas „Obersten Führer“, Kim Jong-un, drohte zu kippen, von verbal in handfest — also Krieg. Das jedenfalls der Eindruck aus den Medien. Wolf bleibt aber gelassen. „Das wurde immer sehr dramatisch dargestellt.“

Wuppertaler

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Angst habe er jedenfalls nie gehabt. Er erinnere sich zum Beispiel an die Situation in Albanien, als es 1997 zu landesweiten Unruhen kam. Ausländern wurde damals nahegelegt, das Land zu verlassen. So weit sei es in Nordkorea noch lange nicht gewesen. Und mittlerweile gibt es ja sogar Zeichen von Entspannung.

Aber wie lebt es sich in dem streng abgeschotteten Land? Wolf wohnt natürlich auf dem Botschaftsgelände, das bis zur Wiedervereinigung der DDR diente und das neben der deutschen aktuell auch die schwedische, britische und französische Vertretung beherbergt. Es gebe nordkoreanische Mitarbeiter, die seien aber streng ausgewählt vonseiten des Gastgeberlandes. Private Gespräche sind praktisch nicht möglich.

Anders als die einheimische Bevölkerung habe die Botschaft vollen Zugriff aufs Internet und sämtliche Medien — nicht nur die staatliche Nachrichtenagentur. In der Hauptstadt selbst „kann ich mich frei bewegen“. Und ja, es sehe dort so aus, wie viele Pjöngjang aus dem Fernsehen kennen. Herrscherkult allenthalben. Aber nur um Kim Jong-il und Kim Il-sung, Vater und Großvater des aktuellen „Großen Führers“, sagt Wolf. Feiertage gebe es viele, an denen es Pflicht für die Bürger sei, Blumen vor den Bildern und Statuen der Führer niederzulegen.

Die U-Bahn indes dürfte vor allem bei Berlinern Heimatgefühle auslösen — nutzt Nordkorea doch ausgemusterte Bahnen aus der Bundeshauptstadt.

Er selbst jogge gerne durch Pjöngjang und fahre dort auch Auto. Mit nordkoreanischem Führerschein übrigens. Alles ohne geheimen Aufpasser? „Mir ist jedenfalls noch nie einer aufgefallen“, sagt der Diplomat, der weiß, dass es für Touristen anders aussieht. Ohne lokalen Führer geht da nichts. Besuchergruppen hätten schon mal bis zu 13 Betreuer an der Seite. „Also manchmal fast Eins-zu-Eins-Betreuung“, scherzt er.

Gerald Wolf kann sich eine Rückkehr nach Deutschland eigentlich nicht vorstellen

Die Zahl der Urlauber sei aber überschaubar, die der festen Ausländer im Land sowieso, so Wolf. Schätzungen gingen von 500 aus, davon 200 Diplomaten. In Botschaften in anderen Ländern hätten die Mitarbeiter durchaus Publikumsverkehr und auch mal mit Urlaubern zu tun, die zum Beispiel ihren Pass verloren haben und ähnliches. „Hier kommt das natürlich nicht vor.“

Wenn er raus aufs Land möchte, dann ist aber auch der Diplomat auf „Begleitung“ angewiesen. „Und man kann auch nicht einfach ohne Grund umherfahren.“ Für Sightseeing müsse er sich an die staatliche Agentur wenden, die sonst auch die Touristen-Touren plant. Sehenwürdigkeiten gebe es natürlich in Nordkorea. Wenn Wolf und seine Kollegen unterwegs seien, dann oft, um internationale Hilfsprojekte zu besuchen. Dann bekämen auch die Botschaftsmitarbeiter einen Eindruck davon, was der Staat sonst gerne geheim hält. Armut, Lebensmittelknappheit, Not. Dass Nordkorea diese Einblicke gewährt, liege daran, so Wolf, dass man auf ausländische Hilfe angewiesen sei.

Im Sommer endet planmäßig sein Engagement in Pjöngjang. Eine Rückkehr nach Deutschland kann er sich eigentlich nicht vorstellen. „Ich bin gerne draußen.“ Für Angestellte mit Familie sei das manchmal schwieriger. Er selbst habe kein Problem damit, um die Welt geschickt zu werden. Ein Traumland? „Habe ich nicht.“ Natürlich sei es schon was anderes, in Pjöngjang zu arbeiten als in London. In der britischen Metropole habe es öfter mal Empfänge gegeben. Und abends konnte man einfach raus in die Stadt. In Pjöngjang, sagt Wolf und lacht, sei es Abwechslung, wenn eine andere Botschaft die Mitarbeiter mal zum Filmabend einlädt. Trotzdem steht für den 58-Jährigen fest: Auch bei seinem nächsten Ziel darf es gerne wieder ein Land sein, „das andere Leute als nicht so einfach empfinden“. Eben wie Nordkorea.

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