Ein Maler und seine Sicht auf die Architektur der Moderne

„Systeme der Abgrenzung“ heißt die neue Ausstellung in der Von der Heydt-Kunsthalle in Barmen. Sie zeigt Bilder von Driss Ouadahi.

Ein Maler und seine Sicht auf die Architektur der Moderne
Foto: Stefan Fries

Ein junger Mann springt immer wieder an einer schwarzen, mit weißem Maschendrahtzaun bemalten Wand hoch, versucht vergeblich, sich festzuhalten, rutscht hinab, hinterlässt mit seinen Händen Spuren. Die Filmszene wird im letzten Raum einer Ausstellung gezeigt — auf der Wand gegenüber hängt das Ergebnis der Sprung-Aktion: das riesige, in drei Teile zerrissene Bild „Oppressed blessing II“ des Malers Driss Ouadahi, der den jungen Mann in einer Flüchtlingsunterkunft in Düsseldorf kennenlernte. Seine Ausstellung „Systeme der Abgrenzung“ startet am Sonntag in der Von der Heydt-Kunsthalle.

Driss Ouadahi wuchs im marokkanischen Casablanca auf, wo er 1959 als Sohn einer algerischen Familie geboren wurde. Schon als Kind zeichnete er — studierte aber zuerst Architektur, die zum zentralen Mal-Thema wurde. In den 80er Jahren kam er nach Deutschland, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf, wurde Meisterschüler von Michael Buthe. Heute lebt und arbeitet Ouadahi in Düsseldorf und Paris.

Dr. Beate Eickhoff, die in Wuppertal die Ausstellung kuratiert, erklärt: „Sein Thema ist die Architektur der globalen Moderne. In den Hochhaussiedlungen europäischer wie nordafrikanischer Metropolen findet er spannungsvolle Kontraste. Seine Bilder stehen für Systeme der Abgrenzung.“ Seinen gesellschaftspolitischen Ansatz verbindet er mit einer Malerei, die vom hellen Licht seiner Heimat geprägt ist. Die Farbauswahl erfolge intuitiv, erklärt der Künstler. Meist arbeitet er mit Öl auf Leinwand. Dunkle Farben tauchen dagegen bei den Zaunbildern auf, die so Eickhoff, „durch die aktuellen Nachrichten über Flüchtlinge eine besondere Bedeutung erhalten“.

In Wuppertal wird die Wirkung von Ouadahis Werken verstärkt, indem sie zusammen mit sieben Objektarbeiten afrikanischer Künstler gezeigt werden, die oft das Schematische seiner Bilder aufgreifen und eine bedrohliche Wirkung aufbauen.

Etwa Mounir Fatmis „Save Manhattan“, eine Landschaft aus Lautsprecherboxen, aus denen urbane Geräusche zu hören sind und deren Schatten die Silhouette der Stadt an die Wand werfen, wie sie vor dem 9.11.2001 aussah.

Die Malerei ist ein Prozess, findet Ouadahi und freut sich, dass in den vier Räumen in Wuppertal 22 Arbeiten aus den letzten 15 Jahren seines Schaffens zu sehen sind. Typisch für ihn sind die an Rohbauten erinnernden Raster, die er vor urbane Landschaften oder Häuserporträts schiebt, in denen einzelne organische Elemente symbolhaft Menschen ersetzen. Wie bei den Zaunbildern geht es um die Struktur, die aufgebrochen wird.

Zwei 2017 entstandene Werke dürften die Wuppertaler besonders interessieren. Ouadahi hat zwei Unterführungen (Bahnhof Vohwinkel und Alter Markt) gemalt — trostlos, gespenstisch und zugleich in hellem Licht: „Unterführungen durchquert man schnell. Durch das Bild entsteht eine Erinnerung, die sie aus der Anonymität holt.“

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