Ein Löwe mit Rost

Werner Kleine über den Heiligen Laurentius, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 1760. Mal jährt.

Ein Löwe mit Rost
Foto: Andreas Fischer

Seit dem westfälischen Frieden ist Wuppertal eine von der Reformation geprägte Stadt, die ihre römisch-katholischen Tradition doch nie ganz leugnen kann. Das zeigt sich schon an der Alten reformierten Kirche am Elberfelder Kirchplatz, die heute das Weltcafé beherbergt und heute auch als evangelische Citykirche Elberfeld bekannt ist. Sie steht auf den Fundamenten der alten, zur Burg Elverfeldt gehörenden Laurentiuskirche, jener Keimzelle, aus der einst die Stadt Elberfeld gewachsen ist.

Elberfeld stand und steht unter dem Patronat des Heiligen Laurentius, jenes römischen Märtyrers, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 1760. Mal jährt. Er wurde im Jahr 258 n. Chr. in Rom unter Kaiser Valerian auf einem glühenden Rost hingerichtet, nachdem er sich geweigert hatte, das Vermögen der Kirche an den römischen Staat auszuhändigen. Laurentius war Diakon des römischen Bischofs Sixtus II.

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Damals oblag den Diakonen die Verwaltung des Kirchenvermögens — weniger, um es zinsträchtig zu vermehren, mehr um es zu nutzen, dass es gerade den Armen, Witwen und Waisen Gewinn bringt. Der römische Staat dürfte um diese frühkirchliche Organisationsstruktur gewusst haben. Bauprojekte, militärische Aktionen, die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, die eine intakte Infrastruktur voraussetzte - all das kostete.

Es kann also nicht verwundern, dass Kaiser Valerian neben Bischof Sixtus II. vor allem auch dessen mit der Güterverwaltung betrauten Diakon Laurentius festsetzte, um an das Kirchenvermögen zu kommen. Laurentius verweigerte sich dem Zugriff des Kaisers. Selbst unter der Folter und der Androhung, auf dem glühenden Rost zu sterben, war er nicht bereit, die Güter herauszugeben. Überliefert ist, dass Laurentius dem Kaiser die Armen, Witwen und Waisen der römischen Gemeinde mit den Worten „Das ist der Schatz der Kirche“ gezeigt habe.

Und damit hat er recht. Geld zählt im Himmel ebenso wenig, wie goldene Badewannen und liturgische Gewänder aus Brokat. Am Thron Gottes wird niemand fragen, wer die schönste Predigt gehalten hat oder die schönste Stadt gebaut hat. Die entscheidende Frage, wie Jesus sie selbst im Matthäusevangelium andeutet, wird sein: Was habt ihr meinen geringsten Geschwistern getan und was habt ihr ihnen nicht getan? Es ist bekannt, dass evangelische Christinnen und Christen sich schwer mit der römisch-katholischen Verehrung der Heiligen tun.

Evangelische Christen müssen sich nicht freuen — aber sie dürfen es

Man kann die Skepsis gut verstehen. Braucht es wirklich solche heiligen Mittler, um zu Gott zu gelangen? Wohl kaum! Der einzige Mittler kann für jeden Christen nur Jesus Christus selbst sein. Und doch hat die Betrachtung der Heiligen ihre Berechtigung, kann ihr Beispiel auch heute noch Vorbild sein. Es ist ja kein Zufall, dass etwa mit Dietrich Bonhoeffer oder Martin Luther King auch die Kirchen der Reformation glaubensstarke und beispielgebende Persönlichkeiten hervorgebracht haben.

In früheren Zeiten feierte ganz Wuppertal den Stadtpatron mit einem schulfreien Tag für alle Kinder wie Else Lasker-Schüler schreibt: „…dann hatten wir anderen Kinder auch frei, ‚die lutherischen und die semitischen Kinder’, wie uns das Fräulein zu unterscheiden pflegte. Heute konnten wir wieder zugucken, wie sich die katholischen Mitschülerinnen versammelten auf dem Platz um die zweitürmige Kirche hinter den rauschenden Kastanienbäumen.“

Wenn also heute um 12 Uhr in Wuppertal die Glocken zu Ehren des Heiligen Laurentius hochfestlich läuten, müssen sich evangelische Christen nicht freuen — aber sie dürfen es! Der Auftrag des Heiligen Laurentius, vor allem die in den Blick zu nehmen, die am Rand der Gesellschaft stehen, ist bleibend aktuell.

Deshalb wird am heutigen 10. August vor der Laurentiuskirche in Elberfeld das Laurentiusbrot gegen eine Spende abgegeben, mit der soziale Projekte in Wuppertal unterstützt werden. Aus diesem Grund hat die Katholische Citykirche Wuppertal bereits im Jahr 2010 zum 400-jährigen Stadtjubiläum ein Video über den Heiligen Laurentius veröffentlicht, das unter anderem im Café Cosa gedreht wurde.

Sicher: Kein einfacher Ort, der in der Gegenwart wieder und sicher nicht zu Unrecht für Diskussionen sorgt. Gerade in einer Stadt, der mit dem Löwen, der den Laurentiusrost in Händen trägt, das Beispiel des Heiligen wie ein unauslöschliches Siegel eingeprägt ist, entscheidet sich gerade an solchen Orten, ob die Wuppertaler Stadtplaner mit toten oder lebendigen Steinen planen. Jeder rechtskräftige Verwaltungsvorgang wird in Wuppertal mit dem rosttragenden Löwen besiegelt: Was habt ihr da getan, und was nicht? Wird es zum Gericht für die Stadt werden, oder zur Verheißung? Der Weckruf der Glocken wird um Punkt 12 daran erinnern. Wir haben es in der Hand. Heute!

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