Kirchen in NRW Die Synagoge in Wuppertal: Ein Haus der Versöhnung an einem historischen Ort

Die neue Synagoge in Wuppertal steht für Sühne und Neuanfang des Zusammenlebens von Christen und Juden in Deutschland.

Kirchen in NRW: Die Synagoge in Wuppertal: Ein Haus der Versöhnung an einem historischen Ort
Foto: Anna Schwartz

Wuppertal. Es gibt Häuser, die sprechen Bände. Die Neue Synagoge in Wuppertal-Barmen ist so ein Bauwerk. Schon am Eingang erzählt es von der teils grausamen Geschichte, die Juden in Deutschland haben erleben müssen. Die Tür ist verschlossen, keine Klinke, von außen nur mit einem Schlüssel zu öffen. Die Gegensprechanlage und die kleine Kamera auf Kopfhöhe sagen unverblümt, dass hier nicht jeder jederzeit einfach Einlass findet. Kontrolle. Schon die Tür zur Synagoge sagt, dass die Geschichte immer noch nicht ganz beendet ist.

Vor drei Jahren flammte die furchtbare Vergangenheit im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal auf. Drei Palästinenser verübten einen Brandanschlag auf das Haus im Herzen Barmens. Sie wurden gefasst und verurteilt. Die Bewährungsstrafen sind für Leonid Goldberg noch heute völlig unverständlich. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde des Bergischen Landes hatte Haftstrafen erwartet. Aber das Gericht urteilte anders, sah in dem Anschlag Kritik an der Politik Israels und kein von Judenhass motiviertes Delikt. Für Goldberg und manch einen Beobachter ist das eine überraschende Interpretation. Die Mehrheit nahm das Urteil schweigend hin. Die irrige Annahme, dass Juden in Deutschland unbehelligt leben können, erleichtert das Gemüt.

Synagoge in Wuppertal: Ein Haus der Versöhnung an einem historischen Ort
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Das interessante Haus an der Gemarker Straße haben die Wuppertaler Architekten Christoph Goedeking und Jürgen Schmidt Anfang der 2000-er Jahre in eine friedlichere Zeit gebaut. Antisemitismus ist zwar immer ein Thema gewesen. Doch die ausgehenden 90-er und das beginnende Millennium waren von einer angenehmeren Stimmung geprägt. In Wuppertal genießt die jüdische Gemeinde hohes ansehen, und es hat Tradition in der Stadt der vielen Kirchen, dass Toleranz waltet.

Dass die evangelische Gemeinde Gemarke für die Synagoge einen Teil ihres Grundstückes zur Verfügung stellte, ist dafür ein Ausdruck. Außerdem ist es eine späte Vollendung der Barmer theologischen Erklärung, mit der Protestanten sich 1934 an Ort und Stelle gegen Hitler und seine Nazis wandten. Es ist die Solidaritätsbekundung, die in der Erklärung fehlte.

Dass die Stadt Wuppertal ein Drittel der Kosten von neun Millionen D-Mark übernahm, ist ein weiteres Indiz für den Willen Wuppertals, den Juden in der Region eine Heimat zu sein. Die restlichen Kosten teilten sich das Land und die jüdische Gemeinde.

Die Architekten haben die Neue Synagoge auf dem recht engen Eckgrundstück zwischen Gemarker - und Parlamentstraße mit zwei kubischen Gebäudeflügeln geplant. Sie sind zum Teil mit Seeberger Sandstein verkleidet. Blickfang sind außerdem die beiden Säulen an der Treppe zum Eingang. Die Fassade an der Parlamentstraße wird von neun schmalen Fenstern unterbrochen. Sie symbolisieren die neun Kerzen des Chanukkafestes, des Festes der Tempelweihe.

Die Gebäudeteile umfassen die liturgische Mitte der Synagoge. Deren Zentrum bildet die Bima, eine Erhöhung, von der aus die Thora vorgelesen wird. Der Thoraschrein im großen Gebetsraum ist wie in Synagogen üblich ostwärts nach Jerusalem ausgerichtet.

Im Gegensatz zu den vielleicht streng anmutenden Kuben ist der Innenraum der Synagoge sehr leicht, hell und einladend gestaltet. Die Sitzreihen sind sowohl im Raum als auch auf der Galerie im Rund angeordnet.

Auf den großen, bunten Fenstern sind die zwölf Stämme Israels in hebräischer Schrift verewigt. Vor der Bima verdeckt ein schwerer samtener Vorhang den Thoraschrein.

Abseits des einladenden Gottesdienst-Saales, der knapp 300 Sitzplätze umfasst, und dessen stählerne Dachkonstruktion einen Davidstern nachzeichnet, ist die Synagoge ein zweckmäßig durchdachtes Bauwerk. Es soll das vollständige Gemeindeleben möglich machen und den etwa 2200 Juden im Bergischen Land ein Anlaufpunkt und Zentrum sein. Dazu gehört ein großer Festsaal mit koscherer Küche im Untergeschoss ebenso wie eine Mikwe, das rituelle Tauchbad. Das Erdgeschoss mit dem Gebetsraum ergänzen ein Männerfoyer sowie ein Sitzungsraum. In Obergeschoss komplettieren Schulungsräume und Büros das Flächenangebot des im Oktober 2002 eingeweihten Gebäudes.

Seine Öffnung zur Stadtgesellschaft dokumentiert die jüdische Gemeinde mit dem Café Negev innerhalb des Gebäudekomplexes, das allgemein zugänglich ist. „Das ist noch viel zu wenig bekannt“, sagt Leonid Goldberg.

Nicht zuletzt dank der Neuen Synagoge befindet sich die jüdische Gemeinde mitten im Leben Wuppertals. Als das Haus feierlich eröffnet wurde, maßen ihm Gäste wie der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, und der damalige Ministerpräsident Johannes Rau die gesellschaftliche Bedeutung bei, die es noch heute hat. Regelmäßig lädt die Gemeinde Vertreter der Stadt und aller Konfessionen zu besuchen ein. Schulklassen und Besuchergruppen aus ganz Deutschland lassen sich durch die Synagoge führen. „Gottesdienste gibt es natürlich auch“, sagt Goldberg. Mindestens dreimal in der Woche treffen sich die Gläubigen zum Gebet, hinzu kommen die Feiertage. In aller Regel reichen die 300 Plätze im Saal aus.

Und sehr wahrscheinlich nähme um die Synagoge herum davon genauso wenig Notiz wie von der Messe in einer Kirche, wäre das nicht die Besonderheit, die ernüchternd lehrt, dass der Antisemitismus, der Judenhass in Deutschland eben doch noch nicht ganz besiegt ist. Die Zahlen des Staatsschutzes zeigen ein anderes Bild. Aus diesem Grund wird die Synagoge von der Wuppertaler Polizei bewacht, während der Rabbi den Gottesdienst hält.

Geschehen ist vor und seit dem Attentat von vor drei Jahren nichts. Leonid Goldberg wünscht sich nichts mehr, als dass es so bleibt.

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