Wuppertal Draußen am kältesten Wintertag - So ergeht es Wuppertalern

Auch bei Minustemperaturen müssen viele Menschen in Wuppertal an die frische Luft. Obdachlose dürfen wegen der Kälte länger in den Unterkünften bleiben.

Wuppertal: Draußen am kältesten Wintertag - So ergeht es Wuppertalern
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Bei Kioskbetreiber Ceylan Tuncay ist der Kühlschrank ausgefallen. In seinem kleinen Häuschen auf dem Laurentiusplatz gibt es trotzdem noch kalte Getränke — nur leider sitzt Tuncay nun selbst mit im Kühlschrank. Weil das Häuschen über keine Heizung verfügt, sitzt der Selbstständige zwölf Stunden täglich mit Mütze, dicker Jacke und Handschuhen bei Minusgraden hinter der Luke und freut sich auf den Abend: „Nach der Arbeit brauche ich erst einmal eine heiße Dusche.“

Wuppertal: Draußen am kältesten Wintertag - So ergeht es Wuppertalern
Foto: A. Fischer

Am bislang kältesten Tag des Winters müssen viele Menschen bibbern. Forstwirt Sigmar Lünenschloß verbringt sechs Stunden am Tag draußen und bessert mit seinen Kollegen vom städtischen Forstamt noch immer Sturmschäden aus. Wenn er an den Bäumen sägt, vergisst er die klirrend kalten Temperaturen jedoch schnell. „Da gerät man eher ins Schwitzen“, sagt er. Doch selbst in diesem Zustand prallt der Wind offenbar an Lünenschloß ab: „Meine letzte Erkältung hatte ich vor fünf Jahren.“

Ein kleiner Trick von Elberfelder Bezirkspolizist Holger Schwenteck: „Manche haben ein kleines Wärmepack in der Tasche.“ Mit den gelgefüllten Kissen bleiben wenigstens die Hände warm. Auf Streife schützen Schwenteck zusätzlich Strickmütze, Handschuhe und eine Uniform mit Winterfutter vor Väterchen Frost: „Nach ein paar Stunden wird es aber trotzdem an Oberschenkeln und Ohren kalt.“

Noch schwerer trifft es jetzt diejenigen, die den ganzen Tag draußen verbringen: Obdachlose. An einschlägigen Stellen, wie etwa im Vorraum der Deutsche-Bank-Filiale an der Calvinstraße, versuchen sich immer wieder Menschen ohne Bleibe aufzuwärmen. „Die müssen wir dann auf die Notunterkünfte verweisen“, sagt Polizist Schwenteck.

Einige Menschen schlafen trotzdem draußen. Wie etwa Zednan Emil Sorin, der sich eine Liegefläche aus mehreren Schichten am Rande der Barmer Innenstadt gebaut hat. Seine Decke sieht aus wie Teddyfell. Nur „ein bisschen kalt“ sei ihm, sagt der 34-Jährige, der über seine Mütze noch die Kapuze gezogen hat.

Streetworker gehen im Winter einmal die Woche durch die City, um denen, die draußen bleiben wollen, eine Schlafstelle ans Herz zu legen — in dieser Woche werden sie das ein zweites Mal tun.

Theoretisch gibt es für jeden Obdachlosen einen Schlafplatz. Die Frauen kommen im Hopster-Fiala-Haus an der Deweerthstraße unter. Die zwölf Einzelzimmer sind belegt, vier weitere Frauen schlafen in einem Gemeinschaftsraum. „16 Personen sind schon viel“, sagt Cornelia Lieto, Bereichsleiterin der Gefährdetenhilfe der Diakonie. Sonst müssen die Frauen um 6 Uhr aufstehen und am Morgen gehen. Seit Samstag gelten andere Regeln. „Wir haben im Team beschlossen, dass die Frauen bei den Temperaturen bis 8 Uhr schlafen und den ganzen Tag in der Einrichtung verbringen können“, so Lieto.

Auch die obdachlosen Männer, denen die Stadt an der Friedrich-Ebert-Straße einen Notschlafplatz bietet, dürfen länger bleiben: bis 10 Uhr. Dann müssen sie sich aber für sechs Stunden etwas anderes suchen — zum Beispiel das Café Oberstübchen an der Oberstraße an, das jetzt eine halbe Stunde eher öffnet und freitags nicht wie sonst früher schließt.

Aus unterschiedlichen Gründen wählen manche trotzdem die Kälte. Lieto sagt: „Manche sind psychisch erkrankt, einige haben auch Angst vor der Unterkunft.“ Auch sei es für einige ein Problem, dass Alkohol in den Räumen verboten ist.

Andere Regeln gelten auch auf dem Neumarkt: Viele Stände bleiben derzeit geschlossen — Obst und Gemüse vertragen Frost nicht. Eiern dagegen macht Kälte nichts: „Eiweiß kann gar nicht gefrieren“, erklärt Jürgen Lettau an seinem Eierstand. Er selbst friert aber, daher ist er „gut eingepackt“, trägt Thermo—Unterwäsche und Jogginghose unter der normalen Hose, auf dem Kopf Mütze und Kapuze. „In Bewegung bleiben“, ist sein Tipp. Und öfter ein heißes Getränk.

So viel Aufwand braucht Heiko Stöcker am Stand der Metzgerei Sonnenschein nicht: Der Stand hat eine Heizung — ihm reichen zwei Pullover. Doch auch der Stand wird wie die anderen verbliebenen eher schließen: „Wenn die Sonne weg ist, kommt kaum noch einer“, erklärt der Händler.

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