Wuppertal Drama um 17-jährigen Lehrling

Baris E. wollte seit seiner Kindheit Busfahrer werden. Kurz bevor er den Führerschein machen sollte, fuhr er unerlaubt Linienbusse. Als das herauskam, tötete er sich selbst.

 Erdinc und Gülcan E. mit einem Bild ihres Sohnes - an einem Bus.

Erdinc und Gülcan E. mit einem Bild ihres Sohnes - an einem Bus.

Foto: Stefan Fries

Obwohl er noch keinen Fahrberechtigung hatte, hat Baris E. (17) mehrfach Linienbusse der WSW gefahren und darin zahlreiche Fahrgäste transportiert. Herausgekommen ist das erst nach dem Tod des jungen Mannes. Denn er hat sich vor sieben Wochen selbst getötet.

Wer sich in einen Linienbus setzt, vertraut darauf, dass der Fahrer ihn sicher durch den Verkehr steuert. Wenn die Person hinter dem Steuer in seiner Uniform als Mitarbeiter der Wuppertaler Stadtwerke (WSW) erkennbar ist, scheint dieses Vertrauen berechtigt. Baris E. saß jeweils in Uniform auf dem Fahrersitz, er hat wohl auch keine Fehler beim Fahren begangen. Aber einen Führerschein für den Fahrgasttransport hatte er nicht. Die WSW wollen als Konsequenz einiges ändern.

Gülcan E., die Mutter des 17-Jährigen, sagt, dass er schon als Kind Busfahrer werden wollte: „Das war sein Lebenstraum.“ Nach dem Realschulabschluss war klar, dass er eine Ausbildung bei den WSW beginnt. „Er war überglücklich“, sagt sein Vater Erdinc E.. Baris habe seine Uniform kaum noch ausziehen wollen.

Im Februar wurden die Eltern zu einem Gespräch gebeten. Unter anderem ging es darum, dass Baris bei der Arbeit gefehlt, bei der Anwesenheitserfassung getrickst hatte. Es folgte eine Abmahnung. Die Eltern sagen: „Wir sind so verblieben, dass die WSW uns informieren, wenn es Auffälligkeiten gibt.“

Die gab es schon am nächsten Tag, einem Freitag: Der Junge war erneut nicht in der Werkstatt erschienen. Stattdessen hatte er am Steuer eines Busses gesessen, der reguläre Busfahrer saß daneben. Aufgefallen war das bei einem Tür-Defekt, der herbeigerufene WSW-Mechaniker wusste, dass der 17-Jährige noch keinen Führerschein hatte.

Die Ausbildungsleiterin habe sie am Abend informiert, sagen die Eltern. Sie habe dabei gesagt, dass Baris nun Hausverbot habe, keinen Bus mehr betreten dürfe und am Montag Schlüssel und Dienstausweis abgeben solle. Das hätten sie Baris erzählt, als er nach Hause kam — da sei er wie in sich zusammengesackt und wortlos ins Bett gegangen.

Am nächsten Tag, einem Samstag war er früh verschwunden, sie dachten, dass er Luft schnappen wollte. Am Abend erschienen zwei Polizisten und überbrachten die schreckliche Nachricht: Ihr Sohn hatte sich in einem leeren Gebäude erhängt.

Als Verwandte und Bekannte davon erfahren, wurde die ganze Dimension der Vorgeschichte deutlich. Gülcan und Erdinc E. hörten von Freunden ihres Sohnes, dass er schon öfter Busse gefahren war, „monatelang“, sagen sie. Er sei WSW-Linien gefahren — sie haben inzwischen Videos davon.

WSW-Sprecher Elmar Thyen bestätigt: „Wir wissen bis heute von einer Handvoll Fällen, die nachweisbar sind.“ Dass ein unberechtigter Fahrer sie fuhr, sei keinem Fahrgast aufgefallen. Der Junge habe sich mit einem angestellten Busfahrer abgesprochen, sei mit diesem erst zusammen, dann allein als dessen Ersatz gefahren. Der Busfahrer sei fristlos entlassen worden.

Die WSW haben eine umfangreiche Untersuchung eingeleitet. Diese werde noch bis zum Sommer dauern, sagt Elmar Thyen. Eine Konsequenz sei schon klar: Die Fahrberechtigung werde optisch verändert, sie soll sich anders als bisher deutlich vom normalen Dienstausweis unterscheiden.

Die Eltern fragen sich, warum den WSW die Abwege ihres Sohnes nicht früher aufgefallen sind, warum sie im Vorfeld nicht früher kontaktiert wurden.

Und warum die Ausbildungsleiterin diese Konsequenzen angedroht habe. Dem widerspricht Thyen: „Sie hat kein Hausverbot erteilt, Ziel war es vielmehr, sich in der folgenden Woche über die Situation grundsätzlich zu unterhalten.“ Und er versichert: „Wir hätten dem Jungen gern seinen Lebenstraum erfüllt.“ Er habe leider nicht gewartet, bis er einen Führerschein machen durfte.

Die Eltern sind auch von der Polizei enttäuscht. Sie hätten den Tod ihres bisher so fröhlichen Sohnes nicht glauben können, hätten ihn aber mehrere Tage nicht sehen dürfen. Polizeisprecherin Marion Heedmann bestätigt: Solange die Untersuchungen nicht abgeschlossen seien, werde in solchen Fällen der Leichnam nicht freigegeben. Die Familie E. haben noch Fragen an die Polizei — die könnten sie stellen, versichert die Polizeisprecherin, auch jetzt noch.

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