Wuppertaler Kultur Spielzeitpremiere: Diese Räume putzen ganz ungemein

Das Schauspiel eröffnet seine Spielzeit mit den „Buddenbrooks“ in der Barmer Concordia. Das Stück macht Laune — aber das ist zu wenig.

Wuppertaler Kultur: Spielzeitpremiere: Diese Räume putzen ganz ungemein
Foto: Klaus Lefebvre

Wuppertal. Die Räume machen Spaß. Diese Idee von Schauspiel-Intendantin Susanne Abbrederis geht auf, deshalb hat sie ihre Spielzeit-Premiere mit den „Buddenbrooks“ in die Gesellschaft Concordia auf dem Werth verlegt.

Auch das Publikum kommt in den Genuss der Räumlichkeiten, der sonst Mitgliedern der Gesellschaft vorbehalten ist. Vor dem tatsächlichen Spielbeginn können die Zuschauer ein Viertelstündchen durch die Räume flanieren. In jedem Raum spricht eine Figur in Endlosschleife über ein zentrales Thema. Tony (Philippine Pachl) etwa liest im Billardzimmer vor einem offenen Sarg aus dem „Buch der Familie“ — da ist man gleich mittendrin in der Geschichte vom „Verfall einer Familie“, so der Untertitel von Thomas Manns Roman.

Schön viel Platz ist im Saal Rittershausen. An der einen langen Seite sitzen die 120 Zuschauer, auf der anderen langen Hälfte schreiten die Schauspieler. Am Flügel lässt sich lehnen und spielen; es sind Chaiselongues verteilt, auf die die Mitglieder der Lübecker Kaufmannsfamilie Buddenbrook mehr oder minder formvollendet niedersinken.

Regisseur Stephan Müller nutzt aber auch Nebenzimmer und das Treppenhaus. Eine Kamerafrau sitzt den Figuren im Nacken und überträgt die Szenen auf zwei Bildschirme — das Ergebnis ist jedoch asynchron in Bild und Ton. Müller nutzt die mediale Spielart jedoch nicht konsequent und prägend, sondern nur sporadisch.

Vier Türen sorgen für weitere Bewegungsimpulse. So stürzt Christian hinaus auf den Balkon und schreit etwas von „Flüchtigkeiten“ hinunter auf den dunklen Werth. Die Barmer rufen und pfeifen prompt zurück. Tonys zum Johannes-Rau-Platz schallendes „Ich war noch nie so froh, nach Travemünde zu kommen“ erstaunt das Publikum draußen und erheitert das Publikum drinnen.

Es hat seinen Grund, warum sich diese Theaterkritik so lange beim Setting aufhält: Das ist der erfreuliche Teil — der, der im Gedächtnis haften bleibt. Die Inszenierung macht zwar Laune. Aber sonst macht sie wenig.

John von Düffels Bühnenfassung der „Buddenbrooks“ ist ein Konzentrat aus Dialogen. Er hat den Romanstoff aus dem 19. Jahrhundert von mehr als 700 auf knapp 100 Seiten zusammengeschnitten. Da Thomas Mann sein Personal mild karikiert, müsste man den Figuren gebührend Spielraum geben, damit das Stück später nachhallt und nicht als Reihung von Momentaufnahmen dasteht.

Im Fokus stehen die Geschwister Thomas, Christian und Tony. Jeder von ihnen scheitert — unausweichlich. Der eisern aufs Geschäft konzentrierte Thomas und Tony mit ihrem Familiendünkel (Thomas Braus und Philippine Pachl tragen das Stück) tun, was man ihnen vorgibt, doch ihr Unglück rettet die Familie nicht. Der junge Christian (Alexander Peiler spielt ihn erst großspurig lässig, später verlottert larmoyant) ist zwar ein flotter Imitator — etwa wenn er den sich anbiedernden Grünlich, seinen Schwager in spe, nachäfft: „Die Klatschrosen putzen ganz ungemein.“ Doch er wird weder Künstler noch Kaufmann, sondern eingebildeter Kranker.

Natürlich schmückt es jedes Stück, wenn Miko Greza aus den beiden Schlitzohren Kesselmeyer und Permaneder wahre Kabinettstückchen macht. Doch dann müssen die anderen mehr Tiefe zeigen dürfen — angefangen beim Konsul (Stefan Walz, der nur stocksteif schreiten darf) und der distanzierten Konsulin (Anuk Ens spielt sie schön zerstreut. Sie ist für die verunglückte Julia Wolff eingesprungen, der das Team diese Produktion widmet).

Es ist gerade für eine Spielzeit-Eröffnung schwach, dass Regisseur Stephan Müller mehr auf das Ambiente und auf Effekte wie einen verstohlen koksenden Christian setzt als auf die Tragfähigkeit seines Stücks.

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