Analyse Die Stadt spart jenseits der Schmerzgrenze

Entwicklung im Einwohnermeldeamt ist Beispiel für die Finanzprobleme Wuppertals.

Die Stadt muss sparen - auch wenn es wehtut.

Die Stadt muss sparen - auch wenn es wehtut.

Foto: Patrick Pleul

Wuppertal. Seit Jahren verfolgt die Stadt Wuppertal einen strikten Sparkurs. Ziel ist der gesetzlich vorgeschriebene Haushaltsausgleich 2017, also das Ende der Neuverschuldung. Die Reduzierung von Personalkosten ist ein Baustein des Haushaltssicherungskonzepts, und die endlosen langen Schlangen vor dem Einwohnermeldeamtes sind ein gravierendes Beispiel dafür, dass die Sparschraube nicht überdreht werden darf.

Mit den Stimmen der Ratsmehrheit der damaligen Großen Kooperation CDU/SPD wurden die Maßnahmen zum Haushaltssicherungskonzept 2010 verabschiedet. Die Verwaltung hatte unter anderem vorgeschlagen, die Bürgerbüros Cronenberg, Langerfeld, Ronsdorf und Vohwinkel komplett zu schließen. Das hätte Einsparungen von jährlich 600.000 Euro gerbacht, so die damalige Schätzung von Stadtkämmerer Johannes Slawig. Nach Protesten aus den Bezirksvertretungen kam es zu einem Kompromiss, der im März 2011 von der Verwaltung vorgestellt wurde: Die Bürgerbüros bleiben an zwei Tagen in der Woche geöffnet, die Passangelegenheiten werden im Einwohnermeldeamt am Steinweg zentral geregelt. Dies bringt der Stadt immerhin Einsparungen von 300.000 Euro jährlich ein — in der Theorie.

In der Praxis ging der Plan aus mehreren Gründen nicht auf. Durch die massive Zunahme von Zuwanderern aus EU-Ländern vor allem aus Osteuropa, Nicht-EU-Ländern und von Flüchtlingen wuchs der Arbeitsaufwand für die Mitarbeiter im Bürgerservice enorm. Die „Erholungsphasen“ mit einem geringeren Publikumsaufkommen wurden immer kürzer. Das drückte sich schon bald in einem deutlich über dem Durchschnitt liegenden Krankenstand aus, die Abwärtsspirale drehte sich weiter, da das reduzierte Personal zusätzlich belastet wurde. Gegensteuern erwies sich als schwierig, denn geschultes Personal ist nicht so schnell zu finden, da spezielle Kenntnisse fehlen und die hohe Belastung Bewerber abschreckt. Außerdem müssen Neueinstellungen im Einwohnermeldeamt an anderen Stellen in der Verwaltung eingespart werden.

Im Frühjahr 2016 spitzte sich die Lage zu. Nach Angaben von Jochen Siegfried, Leiter des Bürgeramtes, waren zuletzt 20 von 47 Mitarbeitern erkrankt, 16 befanden sich im Urlaub. Die Verwaltung beruft sich zwar darauf, dass sie zehn zusätzliche Stellen ausgeschrieben hat. Doch selbst wen sie besetzt sind, besteht weiterhin ein strukturelles und räumliches Problem, weil das Gebäude am Steinweg laut Einschätzung der Gemeindeprüfungsanstalt für eine solche Einrichtung ungeeignet ist.

Die finanzielle Lage der Stadt lässt kaum Spielraum zu. Bei einer Wiedereinführung der Bürgerbüros müssten die besagten 300 000 Euro jährlich an anderer Stelle eingespart werden. Die Stadt hat ihr Sparpotenzial bei den freiwilligen Aufgaben allerdings so gut wie ausgereizt. Johannes Slawig will bei der Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzepts, die bis September den Ratsmitgliedern zur Beratung vorliegen soll, auf die Erhöhung von Grundsteuer B und Gewerbesteuer verzichten. Die Schließung eines weiteren städtischen Schwimmbads oder von Jugendeinrichtungen und Bibliotheken soll ebenfalls kein Thema sein. „Mehr als in den bisherigen Sparkonzepten dürfen wir den Bürgern nicht zumuten“, sagt Johannes Slawig.

Wuppertal hat rund 2,1 Milliarden Euro Schulden. 2016 ist das letzte Jahr, in dem die Stadt zusätzliche Schulden machen darf - so sieht es das Stärkungspaktgesetz vor. „Es war eine Achterbahnfahrt in der vergangenen Woche“, beschreibt Slawig eine Reihe von Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene, die maßgeblichen Einfluss auf die Stadtfinanzen haben. Die schlechte Nachricht: An Schlüsselzuweisungen des Landes für das entscheidende Jahr 2017, das die Wende nach 25 Jahren des Schuldenmachens bringen soll, erhält Wuppertal voraussichtlich neun Millionen Euro weniger als eingeplant, weil die Wirtschaftskraft der Stadt gewachsen ist. Die gute Nachricht: Die Stadt ist zuversichtlich, dass sie 2016 die eingeplanten 197 Millionen Euro an Gewerbesteuer einnehmen wird. Eine weitere gute Nachricht: Rund 30 Millionen Euro jährlich erhält Wuppertal ab 2018 von Bund und Land an kommunalen Strukturhilfen. Fünf Milliarden Euro erhalten die Bundesländer und die Städte und Kreise zudem vom Bund für die Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern. Wie groß der Wuppertaler Anteil daran ist, steht noch nicht fest.

Fazit: Die finanzielle Lage der Stadt bleibt extrem angespannt. Die Frage ist, ob es sich die Stadt leisten kann, den Bürgerservice zu verbessern. Beim Einwohnermeldeamt und den Bürgerbüros scheint das trotz aller Sparzwänge dringend geboten.

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