Wuppertaler Engel Die Nachbarin hält sie mobil

Elfriede Vogelsang fährt Edeltraut Naß zur Fußpflege und zur Gymnastik. Sie hilft aber auch im Alltag dort, wo sie gebraucht wird.

Wuppertaler Engel: Die Nachbarin hält sie mobil
Foto: Fries, Stefan (fri)

Wuppertal. Als Nachbarn wohnen sie seit vielen Jahren gewissermaßen Tür an Tür. Doch nach dem Tod ihres Mannes hat sich die Beziehung von Edeltraut Naß zu Elfriede Vogelsang verändert. „Damals wusste ich nicht, wohin ich die Kleider bringen sollte. Da sie sich für die Rumänienhilfe engagiert, hat sie mir geholfen. Das hat unseren Kontakt intensiviert“, berichtet Edeltraut Naß. Inzwischen käme die 79-Jährige ohne die Unterstützung von Elfriede Vogelsang in ihrem Alltag nicht mehr zurecht.

„Sie hat von sich aus angeboten, mir zu helfen und das empfinde ich als ein großes Glück, denn nur so kann ich noch in meinem Zuhause wohnen bleiben.“ Neben kleineren Besorgungen fährt die Nachbarin sie auch zur Fußpflege, zum Arzt und nimmt sie mit zur Wassergymnastik. „Das ist das Einzige, was ich mit meinem Rücken noch machen kann.“

Als rettender Engel sieht sich Elfriede Vogelsang nicht. Sie hilft ganz selbstverständlich dort, wo sie gebraucht wird. „So bin ich aufgewachsen. Mein Vater war kriegsblind und da waren wir Kinder immer gefordert, den anderen und seine Bedürfnisse wahrzunehmen.“ Ihre Mutter habe sich auch bereits in der Nachbarschaft engagiert und sei damit ein Stück weit Vorbild gewesen. „Diese Haltung habe ich auch versucht, an meine Kinder weiter zu geben“, sagt die Wuppertalerin. Ihre Tochter ist im vergangenen Jahr für fünf Monate nach Madagaskar geflogen, um dort als Krankenschwester ehrenamtlich auf einem Operationsschiff zu arbeiten. „Das Elend dort ist so groß, dass sie im Februar gleich den nächsten Aufenthalt plant.“

Da ihre Kinder inzwischen alle erwachsen sind, hat Elfriede Vogelsang die Zeit, um sich für andere einzusetzen. Die Motivation dafür schöpft sie aus ihrem christlichen Glauben. „Die Nächstenliebe ist das höchste Gebot. Christus hat sich auch für die Einsamen und Verlassenen eingesetzt.“ Voraussetzung sei jedoch, dass der Andere diese Hilfe auch annehmen könne.

Das ist Edeltraut Naß nicht schwer gefallen. „Ohne diese Unterstützung wäre ich in vielen Situationen hilflos. Meine Tochter arbeitet im Schichtdienst, sie kann nicht immer da sein und mein Sohn wohnt einfach zu weit weg.“ Die Wuppertalerin möchte auch nicht ständig betüddelt werden. „So viel wie möglich möchte ich noch selbst machen. Doch es ist auch sehr beruhigend zu wissen, dass jemand da ist, wenn ich Hilfe brauche. Nebenan könnte ich sogar nachts anrufen.“

Selbstverständlich ist diese Fürsorge für sie nicht. „Viele Menschen erlebe ich als sehr rücksichtslos. Sie lassen einfach vor mir die Tür zufallen und im Bus muss ich um einen Sitzplatz bitten“, berichtet die 79-Jährige. Sie musste erst lernen, sich mit ihrem Rollator Platz zu verschaffen. „Denn die meisten gehen nicht zur Seite, wenn ich komme.“

Mit Elfriede Vogelsang kann sie sich austauschen und wenn sie mal einen Tapetenwechsel braucht, klingelt sie einfach nebenan. Doch Edeltraut Naß zieht es auch immer wieder in die Ferne. „Vor zwei Jahren war ich auf Teneriffa und da würde ich gerne noch einmal hin.“ Sie würde sich wünschen, dass sie jemand begleitet, denn Elfriede Vogelsang steht für solche Abenteuer nicht zur Verfügung. „So reiselustig bin ich nicht. Wir sind eher in Deutschland unterwegs“, sagt die 60-Jährige.

Dennoch lauscht sie gerne, wenn Edeltraut Naß von Australien erzählt, wo ihre Schwester wohnt. „Mit meinem Mann habe ich den Kontinent umrundet und durchquert. Wir haben unter freiem Himmel geschlafen und uns im Fluß gewaschen, das war eine irre Zeit“, berichtet sie begeistert. Sie hat im Laufe ihres Lebens einiges von der Welt gesehen. „Wir waren in Thailand, auf Island und bis Spitzbergen — alles auf eigene Faust. Wo es uns gefiel sind wir geblieben. Es war traumhaft.“

Einen erneuten Flug nach Australien musste sie allerdings verschieben, weil sie spontan ins Krankenhaus kam. Als Elfriede Vogelsang davon erfuhr, informierte sie die Tochter und packte ein paar Sachen zusammen. „Sogar einen Apfel, damit ich nicht unterzuckere.“

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