Wuppertal Die Bahnsperrung in Wuppertal bedroht Existenzen

Für die Händler im Barmer Bahnhof sorgen die Ferien für einen großen Umsatzeinbruch.

Wuppertal: Die Bahnsperrung in Wuppertal bedroht Existenzen
Foto: Stefan Fries

Barmen. „Kollateralschaden“ nennt man es zynisch, wenn bei einer Aktion oder Maßnahme völlig Unschuldige oder Unbeteiligte Nachteile erleiden. So wie Thomas Leipoldt oder Michael Augst, die im und am Barmer Bahnhof ihre Geschäfte betreiben und von der sechswöchigen Vollsperrung des Bahnbetriebs während der Sommerferien in ihrer Existenz bedroht sind.

„Wir haben ja zu Ostern eine Generalprobe erlebt, als der Bahnbetrieb geruht hat“, erinnert Thomas Leipoldt, der seine Bahnhofsbuchhandlung täglich von 5.30 bis 20 Uhr öffnet und während der Sperrung Umsatzeinbußen von etwa 70 Prozent zu beklagen hatte. „Wir machen ein Drittel unseres Umsatzes in den frühen Morgenstunden, wenn die Bahnreisenden hier noch einen Kaffee trinken, Brötchen mitnehmen und ihre Zeitung kaufen“, so Leipoldt, der nicht nur junge Menschen zu Einzelhandelskaufleuten ausbildet, sondern auch Arbeitgeber von acht Angestellten ist. „Die sind zum Teil seit 20 Jahren bei mir, und die möchte ich natürlich nicht entlassen.“

Da auch der Schienenersatzverkehr nicht vom Barmer Bahnhof aus startet, wird allmorgendlich gähnende Leere befürchtet im Barmer Bahnhof, der vor Jahren von dem Opernbass Kurt Rydl, einem Schwager von Thomas Leipoldt, erworben und mit viel Sorgfalt renoviert worden ist und, was seine Sauberkeit angeht, seinesgleichen sucht.

Thomas Leipoldt hat sich natürlich nicht in sein Schicksal ergeben und diverse Stellen um Hilfe gebeten. So auch die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Schließlich hat die Landesmutter im Wahlkampf damit geworben, alle Menschen mitzunehmen. Dabei jedoch offensichtlich Leipoldt, dessen Team und Michael Augst im Regen stehen lassen. „Wir erhielten einen Anruf aus Düsseldorf, in dem mir geraten wurde, einen Unternehmensberater zu engagieren oder eben Insolvenz anzumelden“, schildert Leipoldt kopfschüttelnd die sinnfreien Tipps aus der Umgebung der Ex-Ministerpräsidentin.

„Bei der Industrie- und Handelskammer bin ich auf viel Verständnis gestoßen, und Ralf Engel, der Geschäftsführer des Handelsverbandes NRW ist extra zu uns gekommen und will uns behilflich sein“, schöpft der mehr als zwei Meter große Hüne (68), der allmorgendlich von 4.30 an im Geschäft steht und den Tag vorbereitet, ein wenig Hoffnung. Zunächst will er sich allerdings selbst helfen. „Wir werden unserer Kundschaft, die zum Teil seit Jahren zu uns kommt, attraktive Angebote machen und versuchen durchzuhalten. Schließlich haben wir ja auch Verträge mit den Zeitungs- und Zeitschriften-Lieferanten, die wir einhalten müssen.“

Ein wenig anders ist das Geschäftsmodell von Michael Augst, der direkt neben dem Bahnhof den Imbiss „Michaels Speisewagen“ betreibt. „Ich öffne erst um 11 Uhr“, so Augst, der keine Mitarbeiter hat. „Mittags kommen zu mir einige Angestellten der Unternehmen aus der Umgebung, damit schlage ich mich bis etwa 16 Uhr so durch. Das Geschäft mit den Bahnreisenden beginnt am Nachmittag, wenn die Menschen von der Arbeit kommen und hier kleine Mahlzeiten einnehmen“, erklärt Augst. Er verzeichnete während der Osterpause der Bahn rund 50 Prozent weniger Einnahmen. „Die Inhaber von Monatskarten haben sich schon Ende Juni von mir verabschiedet, aber versprochen, dass sie im September wieder zurückkommen. Bis dahin muss ich einfach durchhalten.“

Wie Thomas Leipoldt, bei dem Augst früher gearbeitet hat, ist er verärgert und enttäuscht, dass die Bahn nicht wenigstens einen Teilbetrieb über zwei Gleise aufrechterhalten hat. „Das wäre wenigstens eine Erleichterung für uns gewesen.“

„Für jede Notlage gibt es in Deutschland Hilfen. Warum nicht für uns, die wir doch überhaupt nichts dafür können, dass uns während der Sommerferien die Kunden wegbleiben?“ fragt Thomas Leipoldt.

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