Deshalb kann ein Kulturpreis für Frauen sinnvoll sein

In der öffentlich wahrgenommenen Kunst sind Frauen immer noch wenig präsent. Dafür gibt es mächtige Gründe: die Männer.

Deshalb kann ein Kulturpreis für Frauen sinnvoll sein
Foto: Schwartz, Anna (as)

Auch in dieser Woche hat sich der Wuppertaler Stadtrat mit wichtigen Themen beschäftigt. Verkehrsentwicklung etwa, und der Frage, wie die Zukunft der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GWG) aussehen soll. Die inhaltlich wertvollste Debatte entwickelte sich allerdings an der Frage, ob es in Wuppertal ein Kulturpreis für Frauen geben müsse. Die Grünen hatten den Antrag gestellt, vermutlich wissend, dass er sowieso keine Mehrheit fände. So kam es denn auch, und Rolf Köster von der CDU erklärte, warum. „Diskriminierend, geradezu frauenfeindlich“ sei die „angestaubte Idee aus den 1960er Jahren“.

Das war’s dann mit dem Antrag der Grünen, trotz engagierter Debatte. Alles bleibt, wie es ist. Dabei lohnt sich ein genauerer Blick auf den Sachverhalt. Warum halten die Grünen es überhaupt für notwendig, Frauen eine Art Preisinsel zu verschaffen, auf der sie nicht mit Männern konkurrieren müssen? Eine Antwort darauf liefert ein Blick in die Geschichte. Vielleicht hat der Kinofilm Camille Claudel die Situation der Künstlerin im Europa der Wende zum 20. Jahrhundert am besten geschildert. Der sehenswerte Streifen zeigt das Leben einer jungen Bildhauerin, die im Schatten des übergroßen Auguste Rodin wirkt, ihren Lebenspartner und ihr Vorbild im Laufe ihres Schaffens eigentlich überflügelt, dafür jedoch nie die ihr zustehende Anerkennung erhielt. Noch heute gilt Rodin als das Bildhauer-Genie der jüngsten Geschichte. Seine Skulpturen werden zurecht als Synonym für Ästhetik bezeichnet. Aber die Werke Claudels standen dem nach Ansicht vieler Experten nicht nach. Die Künstlerin starb 1943 im Alter von fast 80 Jahren vergessen in einer psychiatrischen Anstalt.

Vor und auch nach Camille Claudel hatten Frauen es schwer in der Welt der bildenden Künstler. Das ist in Wuppertal nicht anders als in München oder New York. Sichtbar wird es unter anderem an Trägern beispielsweise des Von der Heydt-Preises, der seit 1950 vergeben wird. In der Liste der Geehrten tummeln sich so schillernde Namen wie Heinrich Böll, Armin T. Wegner, Peter Kowald und Bazon Brock. Auch Frauen wurden mit dem höchsten Kulturpreis der Stadt ausgezeichnet, darunter Pina Bausch, Alice Schwarzer und Hanna Jordan. Aber sie sind deutlich in der Minderzahl.

Ein wenig anders sieht es beim Springmann-Preis aus, der seit 1998 an Künstler vergeben wird, die Wuppertaler sind oder in Wuppertal arbeiten. Hier sind fast 40 Prozent der Begünstigten weiblich. Allerdings zeichnet die Springmann-Stiftung nicht nur Maler und Bildhauer aus, sondern beispielsweise auch Musiker, Schauspieler und Fotografen. Einzige Bildhauerin in der Siegerliste ist Ulle Hees, mit Annette Marks und Ines Pröve wurden lediglich zwei Malerinnen geehrt.

Allzu verwunderlich ist das nicht. Gemessen an den etwa 3000 Gemälden und Skulpturen im Eigentum des Von der Heydt-Museums ist die Zahl der Malerinnen und Bildhauerinnen gering. Weit überwiegend stammen die Werke von männlichen Künstlern. Unter den weiblichen Malern finden sich so berühmte Namen wie Gabriele Münter (1877-1962) und Paula Modersohn-Becker (1876-1907). Zumindest zu Lebzeiten dieser beiden Malerinnen war der Kunstbetrieb in Europa ein fast lupenreines Patriarchat. Im Geschäft mit der Kunst haben Männer Frauen eher selten den Vortritt gelassen.

Etwa 50 bis 100 Jahre nach Münter und Modersohn-Becker hat die Kunstwelt sich verändert. Sie ist weiblicher geworden. Viele Galerien werden von Frauen betrieben. In Kunstsammlungen haben zunehmend Leiterinnen das Sagen. Aber am Männer-Phänomen in der Welt der bildenden Künste änderte das bisher nichts. Auch Galeristinnen setzen auf Maler und nicht auf Malerinnen. In Kunstsammlungen sind Skulpturen von Bildhauern zu sehen, nicht von Bildhauerinnen. Dabei ist es wenig wahrscheinlich, dass die Zahl der Malerinnen deutlich unter der der Maler liegt. Doch der Weg ins Rampenlicht ist noch immer zu oft versperrt. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, Künstlerinnen in Wuppertal mit einem speziellen Kulturpreis zu fördern. Die Idee mag angestaubt sein, frauenfeindlich ist sie nicht. Ganz im Gegenteil.

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