Der Grandseigneur der Pianistenszene

Sir András Schiff spielte im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr in der Stadthalle.

Der Grandseigneur der Pianistenszene
Foto: A. Fischer

Er ist ein Grandseigneur, kann getrost zu den Top Ten der in-ternationalen Pianistenszene gezählt werden. Vor etwas mehr als zwei Jahren war er schon einmal in der Stadthalle und bot ein grandioses Mendelssohn-Konzert gemeinsam mit dem Chamber Orchestra of Europe. Nun reiste Sir András Schiff im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr allein auf den Johannisberg und hatte erneut anspruchsvolle Literatur mit im Gepäck. Im Zentrum standen die drei letzten Klaviersammlungen von Johannes Brahms mit den Opusnummern 117, 118 und 119.

Die erste Programmhälfte läutete er mit Robert Schumanns „Geistervariationen ein, gefolgt von Opus 117, dem sich Wolfgang Amadeus Mozarts Rondo in a-Moll (KV 511) und anschließend Opus 118 an-schlossen. Im zweiten Teil wurde Opus 119 eingerahmt von Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge in h-Moll (BWV 869) sowie zum Schluss von der berühmten Sonate „Les Adieux“ Ludwig van Beethovens. Diese Kombinationen machten aus tonaler, motivischer und inhaltlicher Hinsicht durchaus Sinn, da es genau in dieser Abfolge solche Bezüge zueinander gab.

Ohne Pause spielte Schiff das Programm der beiden Konzerthälften, als würden sie jeweils aus nur einer äußerst umfangreichen Komposition bestehen. Nur bei guter Notenkenntnis wurde man so etwa gewahr, wann Schumann aufhörte und Mozart begann. Auch der Übergang zu Opus 117 war fließend. Alles spielte er mit derselben romantischen Tongebung, dynamisch sehr zurückgenommen, doch strukturell ganz fein nuanciert. Puristen hätten mit dem Kopf geschüttelt, wenn sie das Rondo so schwärmerisch-verklärt gehört hätten, wie er aus dem Flügel kam. Ohne Verwendung des rechten Pedals, mit deutlich voneinander getrennten Bassnoten (Portato) kam Bachs Präludium von der Bühne.

Ganz langsam, kaum wahrnehmbar, änderte sich bei der Fuge jedoch die barocke Note hin zum romantischen Duktus. Ansonsten wäre der sofortige Anschluss an Opus 119 vom Tonfall her wohl zu brüchig gewesen. Auch bei Beethoven dominierte die sich erst später durchgesetzte klangliche Hal-tung. Pianistisch spielte hier Schiff seine unnachahmliche große Klasse aus. Hohe Virtuosität, höchste Akkuratesse selbst in schnellen Passagen, kultivierte und differenzierte laute Stellen oder ein feder-leichtes Piano beeindruckten.

Spielte Schiff bei diesem ungewöhnlichen Brückenschlag zwischen Barock über die Wiener Klassik bis hin zur Romantik sich selbst? Nein, denn dafür hat er viel zu großen Respekt vor dem Notentext und seinem Gehalt. Vielmehr entstand der Eindruck, er als würde er für sich selbst spielen - ganz intim, als wäre er ganz allein in seinem stillen Kämmerlein, den die Außenwirkung wenig interessiert. has

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