Das TiC wird zum italienischen Dorf

Mit „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ führt Regisseurin Julia Meier köstliche Stereotypen vor.

Das TiC wird zum italienischen Dorf
Foto: Andreas Fischer

Cronenberg. Der groß gestikulierende Papa, der Kniff in die Wange von Oma, das kreischende Schreien durchs ganze Haus: „Mangiare!“ — Julia Meier hat bei der Theaterversion des Bestsellers „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ im Tic wunderbare Stereotypen auf die Bühne gebracht. Urlaubsflair und das Aufeinanderprallen der Kulturen sorgen an der Borner Straße für viel Gelächter und immer wieder Szenenapplaus.

Es ist die erste Regiearbeit von Julia Meier, die mit 16 Jahren als Schauspielerin am Tic begann und inzwischen als professionelle Musicaldarstellerin in der ganzen Republik unterwegs ist. In das Stück hat sie viel Herzblut einfließen lassen: Da sie selbst mit einem Italiener verheiratet ist, kennt sie die Situation in einer italienischen Großfamilie aus eigener Anschauung. „Ich habe nur Glück, dass ich so viel essen kann“, sagt sie mit einem Schmunzeln.

Auf der Bühne hingegen starren fünf Augenpaare entsetzt auf Jan (Sebastian Freund), als dieser die Pizza ablehnt, weil er doch gerade erst gegessen habe. Dieser Junge sei viel zu mager, befindet die energische Nonna (Großmutter, Monika Owart), und bietet ihm immer neue Köstlichkeiten an. Denn die Hochzeit des Deutschen Jan mit der jungen Italienerin Sara (Saskia Deer) muss natürlich im italienischen Heimatdorf, in Campobasso, stattfinden. Und ebenso selbstverständlich ist ein gemeinsames Schlafzimmer vor der Hochzeit tabu. Schnell verwandelt das Team die kleine Bühne mit Requisiten und Foto-Prospekten vom deutschen Wohnzimmer zum italienischen Dorf, von der Küche zur Kirche oder zum Adriastrand (Bühne: Jan Bauerdick). Der italienische Schwiegervater Antonio (Michael Baute) erklärt dem „liebe Jung“ die italienische Welt, unterstützt von seiner Frau (Christina de Bruyckere-Monti).

Wunderbar spielt Michael Baute dieses Familienoberhaupt mit italienischem Akzent und vielfältigem Gesichtsausdruck. Und Sebastian Freund gibt den Deutschen als oft unbeholfenen, tapsig-verwirrten Gast, der aber an seiner neuen Familie immer mehr Gefallen findet. Der junge Cousin Marco (Benedict Schäffer) hingegen lehnt ununterbrochen mit dem Handy am Ohr an einer Hausecke und wirft nur gelegentlich einen Kommentar in die allgemeine Unterhaltung ein. Irgendwann erreichen auch noch Jans Eltern das abgelegene Bergdorf: Beril Erogullari spielt die Mutter wunderbar übertrieben mit lautstarker Freude an jedem Detail. Das wirkt umso stärker, als Philip Zangerl den Vater als korrekten, manchmal etwas steifen Intellektuellen zeigt.

Während im ersten Teil eine typische Situation des Kulturschocks die nächste jagt und bei vielen Zuschauern Erinnerungen hervorrufen, schlägt Autor Jan Weiler nach der Pause nachdenklichere Töne an: In einem Rückblick erzählt Antonio, wie schwer seine erste Zeit in Deutschland war, weil die Menschen dem Gastarbeiter mit Misstrauen und Ablehnung begegneten. Doch schnell wechselt das Stück wieder in die jubelnde Hochzeitsfeier mit Küsschen, Herzlichkeit und viel Essen. Italien-Schlager wie „Komm ein bisschen mit nach Italien“ oder „Lasciatemi cantare“ erinnern an Zeiten, als die Adria-Küste noch das Sehnsuchtsziel der Deutschen war. Begeistert wollen die Zuschauer die Darsteller am Ende kaum gehen lassen.

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