Das Ringen um die Mitglieder

In allen Ressorts sind Vereine auf Nachwuchs angewiesen. Der bleibt aber oft aus. Der Grund liegt oft am ganztägigen Schulprogramm.

Wuppertal. Vereine haben vor allen Dingen ein Problem: das Alter. Ihr Alter und das der Mitglieder. Denn neben zunehmend älter werdenden Aktiven ist es auch die Institution Verein an sich, die mit der heutigen Gesellschaft nicht mehr Schritt halten kann. Das jedenfalls glaubt Michael Lutz, der Präsident des Allgemeinen Sportvereins Wuppertal (ASV): „Die Leute wollen sich nicht mehr über Jahre oder sogar fürs Leben an einen Verein binden. Sie machen lieber hier und da eine Trendsportart oder gehen ins Fitnessstudio. Der Verein der alten Schule hat keine große Anziehungskraft mehr.“

Tatsache ist: In fast allen Ressorts, sei es Sport, Kultur oder bürgerschaftliches Engagement, sind die Probleme des Mitgliederschwundes und des Nachwuchsmangels in den Vereinen auszumachen. Das jähe Ende steht dem Vereinswesen aber nicht bevor, es gibt auch positive Entwicklungen.

Michael Lutz hat mit seinem ASV zuletzt schwere Zeiten durchgemacht. Die Sportarten Leichtathletik, Tennis und Rollsport mussten aufgegeben werden. Es fehlten die Mitglieder. „In den vergangenen zehn Jahren hatten wir einen ganz erheblichen Mitgliederschwund“, sagt der Vereinspräsident. Aktuell sind etwa 1600 Menschen dort Mitglied. Allerdings: im vergangenen Jahr konnte der ASV einen leichten Mitgliederzuwachs von zwei Prozent verzeichnen.

Das ist genau der Prozentsatz, um den die Zahl der Mitglieder in allen Wuppertaler Sportvereinen in den vergangenen zwei Jahren geschrumpft ist. Heute sind es etwas mehr als 66 000 Sportler in den 227 Vereinen und in 115 Betriebssportgemeinschaften. Das jedenfalls weiß der Stadtsportbund über die dort organisierten Mitglieder zu berichten. „Trotzdem gab es bei 60 Prozent der Vereine im letzten Jahr einen Zuwachs an Mitgliedern“, so Geschäftsführer Volkmar Schwarz. Die Zahl der Mitglieder unter 18 Jahren sei in den letzten beiden Jahren nahezu stabil gewesen.

Und trotzdem sind es gerade die Jugendlichen, die vielen Vereinen fehlen. „Kein Wunder, bei ganztägigem Schulprogramm, nur noch 12 Jahren bis zum Abitur und all den Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Am Computer, etwa. So viel Konkurrenz hatten die Vereine vor 20 Jahren nicht“, ist sich Michael Lutz sicher.

Ein Konkurrenzkampf, dem auch die Organisatoren der Wuppertaler Kurrende sich stellen müssen. Der Knabenchor hat in den vergangenen zehn Jahren etwa 40 Mitglieder verloren, heute sind es etwa 120, die sich auf den Knabenchor, die Vorchöre und den Männerchor verteilen. „Wir müssen schon viel mehr Anstrengungen auf uns nehmen, um Mitglieder zu werben“, erklärt Klaus Kölsch, der Chormanager. So gehe man etwa in Schulen, um für das Singen zu begeistern. 12 bis 15 Sänger verliere man im Jahr allein durch den Stimmbruch. Bisher könne der Verein das noch mit Neuzugängen kompensieren.

Der Chorverband NRW bestätigt die rückläufige Entwicklung besonders im Bereich der Männerchöre. Nach einer langen Talfahrt würde das Chor-Sterben nun aber stagnieren und kleinere Ensembles sich neu gründen. Von 43 Chören in Wuppertal sind 18 als Verein organisiert.

So hoch wie nie ist dagegen die Zahl der Mitglieder in den Bürgervereinen: Insgesamt sind es rund 8000, vor 30 Jahren seien es noch 6000 gewesen, heißt es vom Stadtverband der Bürgervereine. „Mitglieder in Bürgervereinen sind traditionell immer etwas älter“, erklärt Wolfgang Baumann, der Vorsitzende. Heidrun Rieger, die Vorsitzende des Nordstädter Bürgervereins, der mit 1000 Mitgliedern der größte ist: „Junge Leute sind oft einfach zu eingespannt in ihren Familien und im Beruf.“ Noch würden die etwa 20 Mitglieder, die der Verein pro Jahr aus Altersgründen verliert, durch Neuzugänge aufgefangen werden können. Die Jugendgruppe wurde vor etwa fünf Jahren aufgegeben. Der kleinste Bürgerverein der Stadt hat 50 etwa Mitglieder.

Eher unbeeindruckt von Zukunftsängsten zeigt sich der Stadtverband Wuppertal der Gartenfreunde, der die Kleingärtnervereine verwaltet. „Es kommen immer mehr junge Leute dazu“, sagt der Vorsitzende Fritz Ortmeier. „In der Anlage am Bendahl sind kürzlich fünf Gärten freigeworden. Nach kürzester Zeit waren es nur noch zwei. Und die sind auch schon so gut wie weg.“

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